Durchs Dröhnland: Der Blues auf Butterfahrt
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Der Musik- und Philosophielehrer ging mit auf Tour, um auf die Piddlers aufzupassen, damit sie doch noch ihr Abitur geregelt bekommen. Fragt sich, ob die vier aus Neukirchen-Vluyn das noch brauchen, wenn sie erst mal den bundesdeutschen Entwurf von Green Day vollendet haben. Mit dem jungenhaften Grinsen, das 19jährige nun mal so haben, adaptieren sie eine naive Version von Punkrock, an der sich Menschen freuen, die die Sex Pistols aus der Plattensammlung ihrer Eltern kennen. Auch die obskure Cover-Version darf natürlich nicht fehlen: VIVA dudelte ihr „Ich mag“, das auf Volker Lechtenbrinks Caro-Kaffee- Song beruht, rauf und runter. „Ich mag ultrageile Hippie-Parties, nur die roten von den Smarties“, bekennen sie da, oder auch „Ich mag das Dr.-Sommer- Team, Frühstück mit Aspirin“. In diesem Spannungsfeld bewegen sie sich mit Unbekümmertheit und den unvermeidlichen Fettnäpfchentritten. Im Gegensatz zu ihren US-Kollegen haben die Piddlers auch keine Probleme, den Crossover zu HipHop oder gar zum Mainstream Rock zu suchen. Glückliche, unvoreingenommene Jugend.
Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln
Im Blues muß man sich meist ganz altmodisch hochdienen. So hat auch Joanna Connor mehr als zehn Jahre die Slide-Gitarre wund gespielt, um im männerdominierten Genre Anerkennung zu ernten. Und gibt der oft recht akademischen Szene manchen sanften Nasenstüber, indem sie eben nicht nur Luther Allison covert, sondern auch Jimi Hendrix mit „Fire“ die Ehre erweist. Auch Angst vor Funk hat sie nicht, wenn sie ihren sehr verknappten, städtischen Blues spielt, der sich erst gar nicht mit Seelenklempnerei aufhält.
Morgen, 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg
Eine Tour absagen, weil der Bassist aussteigt, nur um dann wieder einzusteigen: das sind echte Popstar-Probleme. Nur, ist es diese Band wert?
Oasis haben einen Song nicht veröffentlicht, weil sie Angst hatten, daß Stevie Wonder sie wegen zu dreister Klauerei verklagen könnte.
So., 14.1., 20 Uhr, Huxley's
Der Lack ist ab, die Gesichter knittrig, aber die Jüngsten waren die Godfathers ja noch nie. Und die Anzüge sitzen immerhin noch perfekt. Aber natürlich war klar, daß nach „Birth, School, Work, Death“, der letztgültigen Ausformung des englischen Puprock, nichts Besseres mehr kommen konnte. Die klassische Eleganz dieser Platte bei gleichzeitigem höchstmöglichem Schweinerock-Appeal ist nach wie vor unübertroffen. Auf ihrem Altenteil geben sich die Gebrüder Coyne noch alle erdenkliche Mühe, haben die Restband komplett ausgewechselt und mit „Afterlife“ das Beste seit langem abgeliefert – aber was bringt's, wenn man immerzu an unerreichbaren und dazu noch selbst gesetzten Vorgaben gemessen wird. „Time's not on Your Side“ haben sie selbst erkannt. Und hochsympathisch natürlich das Anschwimmen oder in diesem Fall: Anrauchen gegen alle Zeitgeiste. „Mother Nicotine“ bekommt in den Tagen von Nicoretten und Anti-Raucher-Pflaster die längst fällige Hymne: „The morning I wake the first thing I take is a drag from you / And when the day ends you're still my friend / You know I depend on you“.
Di., 16.1., 21 Uhr, Huxley's Junior
Wo wir gerade dabei sind: Auch Arno ist bekennender Kettenraucher. Man hört das auch. Ziemlich deutlich sogar. Er mag seine Stimme nicht besonders, sagt der Belgier mit Kultstatus in Frankreich. Außerdem behauptet er von sich, er sei der „wohl schlechteste Musiker der Welt“. Und die eigenen Platten hat er prinzipiell nicht zu Hause. Die Bescheidenheit ist zwar nett, aber recht unangebracht, denn zumindest hat der Mann ein Gespür für die Musiker und die Klänge, die er sich erwählt, um seinen obskuren Blues zu erschaffen. Der ist stark beeinflußt vom Chanson; alle anderen Assoziationen wischt die Stimme weg, die ebenso gewöhnungsbedürftig ist wie die von Tom Waits. Auch Arno instrumentiert seine Songs vom Leiden an Welt und Liebe gerne mit aus der Mode gekommen Instrumenten wie Schifferklavier oder Banjo. Komische Klänge klöppeln und tröppeln durch die Lieder, und die Rhythmussektion torkelt, daß man Angst kriegt um die Herren, die immer den ungeraden Weg suchen und ständig zu spät kommen. Man muß nicht Französisch können, um zu hören, daß hier viel zu schöne Frauen viel zu versoffene Männer verlassen und zu ihrem Glück nie wieder zurückkommen.
Mi., 17.1., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Hervorgegangen aus den Hippietraum-Destruktoren Sharon Tate's Children haben Viva Maria! eine für ehemalige Freunde des Hardcore recht ungewöhnliche Richtung eingeschlagen. Die Stuttgarter spielen nun einen extrem verdubbten Funk mit leichten Jazz- und HipHop-Einflüssen, der niemals so recht zu Potte kommen will, der sich ziert und dudelt und sich Zeit läßt, bis das Stück dann zu Ende ist – aber das ist Programm. Bevor hier wirklich was passiert, tanzen die Beine schon wie von selbst.
Do., 18.1., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg. Eintritt frei!
Immerhin die Rhythmussektion ist noch original. Sonst blieb bei Bad Company nach 20 Jahren kaum noch was beim alten. Zuletzt haben sie zwar immer wieder versucht, die alte Bluesrock-Herrlichkeit wiederzubeleben, aber kaum mehr als Butterfahrten-Niveau erreicht. Waren die alten Bad Company geradezu berüchtigt für Sparsamkeit im Ausdruck und knarzende Reduzierung auf das Allernötigste, glänzt die aktuelle Besetzung eher durch überflüssiges Kunsthandwerk. Die Bandgeschichte von Kansas ist sogar noch zwei Jahre älter, auch wenn man zuletzt mit einer zehnjährigen Pause glänzte. Immerhin ist noch der ursprüngliche Sänger Steve Walsh dabei, aber leider auch die Streicher, die den eh schon ungemütlich bombastischen Kunstkackrock von Kansas noch zusätzlich verkleben.
Do., 18.1., 20 Uhr,
Huxley's Neue Welt
Thomas Winkler
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