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Ein Trainer von großer Kultur tut Gutes

■ Mit seiner Stimme für die norwegische Weltmeisterin Hege Riise bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres sorgte Norwegens Männercoach Egil Olsen für Aufsehen

95 Nationaltrainer männlichen Geschlechts waren angehalten, den Weltfußballer des Jahres zu wählen. Wenig sensationell erkoren sie George Weah vor Paolo Maldini und Jürgen Klinsmann zum Sieger, ansonsten bestachen sie zum Teil nicht gerade durch gesteigerte Sachkenntnis. Etliche wählten Roberto Baggio (u.a. Venables, Hodgson, Kubala, van Himst) oder Romario (u.a. die Trainer von Tonga, Taiwan, St. Lucia und Burkina Faso), die nun wirklich miserable Jahre hinter sich haben. Oder sie zeigten, daß sie nur bis zur eigenen Nasenspitze schauen können: Vogts (Klinsmann, Sammer, Weah), Penew (Stoitschkow, Balakow, Penew), Zagalo (Bebeto, Ronaldo, Aldair), Clemente (Hierro, Nadal, Zubizarreta) oder Trinidads Vranes (Laiapy, Nakhid, Evo). Ganz anders Norwegens Coach Egil Olsen, der auf seinem Stimmzettel hinter Ilija Tsymbala (Rußland) und Ivan Zamorano (Chile) den Namen Hege Riise (Norwegen) hatte.

Damit kam erstmals bei dieser Wahl eine Frau zu Ehren, und zwar jene Spielerin aus dem Team des Weltmeisters, die nicht nur das 1:0 im Finale gegen Deutschland geschossen hatte, sondern auch als beste Spielerin der WM mit dem „Goldenen Schuh“ ausgezeichnet wurde. Mit seiner Stimme für die 26jährige Mittelfeldspielerin (65 Länderspiele) hat Egil Olsen bei der seit 1988 durchgeführten Wahl ein Tabu gebrochen.

DFB-Frauen-Chefcoach Gero Bisanz ist eher kritisch. „Olsen stellt seinen eigenen Männern damit ein schlechtes Zeugnis aus.“ Man solle und könne Männer- und Frauenfußball nicht vermischen. „Vergleichbar sind allenfalls Technik und Taktik. Aufgrund der körperlichen Unterschiede kann keine Frau bei den Männern bestehen. Solche Vergleiche sind schwer, ich halte sie für Unsinn.“ DFB-Rekordnationalspielerin Silvia Neid vom TSV Siegen (103 Länderspiele) hingegen findet das Votum gut. „Unsere WM hat offensichtlich Spuren hinterlassen. Mit seiner Stimme für Hege Riise hat Olsen Gutes getan.“

In Italien würdigte die Gazzetta dello Sport die „intelligente und originelle Wahl eines Trainers von großer Kultur“. Gelassen reagierten die norwegischen Medien. Zeitungsmeldung, Foto im Fernsehen. Der Grund ist einfach: Nirgendwo ist Frauenfußball so selbstverständlich wie in dem skandinavischen 4,3-Millionen-Volk mit seinen 250.000 männlichen und 60.000 weiblichen Fußballern. „Wir haben die gleiche Reputation wie die Männer“, sagt Frauennationalcoach Even Pellerud. „Unser Ansehen ist sehr groß und ohne Vorbehalte.“ Kein Wunder angesichts der zwei EM-Titel (1987 und 1993) und der WM-Krone aus dem letzten Sommer. So war es eine Selbstverständlichkeit, daß mehr als die Hälfte der Bevölkerung am Fernseher das WM-Finale sah. Klar, daß damals die Hauptnachrichten verschoben wurden. Und nur außerhalb Norwegens galt es als Sensation, daß Männercoach Olsen und Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland als TV- Gastkommentatoren das Spiel übertrugen. Man stelle sich vor: Berti Vogts und Roman Herzog kommentieren Silvia Neid und Co.

Für Trainer Pellerud ist die Stimme für eine Frau gerechtfertigt. „Hege ist schon seit Jahren gut. Sie ist geschickt, gerissen, aber fair, spielt zweckorientiert.“ Pellerud, selbst 14 Jahre lang Profi, wagt einen Vergleich mit Gerd Müller. „Hege ist nicht die schnellste, läuft nicht viel und springt nicht gerade hoch. Aber sie ist immer da. So etwas ist genial.“ Die Wahl seines Kollegen Olsen sei kein Gag, sondern wohlüberlegt. Der 53jährige hat seine Kollegen und Mitarbeiter im Fußballverband vorher um Rat gefragt. „Egil war einverstanden mit unserem Vorschlag, Hege Riise auf den Stimmzettel zu setzen“, sagt Verbandspressechef Jon Jamessen. „Wir wollten der Welt zeigen, daß Frauen sehr gut Fußball spielen. Vielleicht haben wir den Anstoß gegeben, künftig auch eine Frauenwahl durchzuführen.“ Rainer Hennies

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