: Plutoniumtüchtig
■ BND wollte ursprünglich fast vier Kilo des Atombombenstoffes schmuggeln
Berlin (taz) – Der spektakuläre Münchner Plutoniumschmuggel vom 10. August 1994 war offenbar nicht als Einzelfall gedacht. Das geht aus einem geheimen Vermerk des Bundesnachrichtendienstes (BND) hervor, den gestern abend das ARD-Magazin „Monitor“ zitierte.
Bei dem Geheimpapier handele es sich um einen Sachstandsbericht des BND-Mitarbeiters Kulp vom 26. Juli 1994, in dem über ein Treffen des BND-V-Mannes „Rafa“ am vorherigen Tag mit seinem Führungsbeamten „Liesmann“, dem Scheinaufkäufer des bayerischen LKA, Walter Boeden, sowie dem später als Haupttäter im Münchner Schmuggelfall verurteilten Justiniano Torres berichtet wird. Über den bekannten Sachverhalt hinaus belegt der Vermerk: Während des Treffens wurde diskutiert, Torres könne ingesamt 3,8 Kilogramm Plutonium in vier Portionen an vier aufeinanderfolgenden Tagen per Flugzeug nach München bringen und dort den Behörden übergeben.
Dem „Monitor“-Bericht zufolge belegen weitere Dokumente auch eine weitaus frühere Verwicklung des BND in den Plutoniumdeal, als bisher eingeräumt. Fernschreiben und Vermerke der BND-Residentur Madrid zufolge habe der BND nicht erst im Juli, sondern schon im Mai 1994 vom geplanten Schmuggel gewußt. Unterdessen hat Regierungssprecher Peter Hausmann angekündigt, Bonn werde den russischen Behörden eine Probe des Münchner Plutoniums für Analysen zur Verfügung stellen. Damit entspreche die Bundesregierung einer Bitte der russischen Sicherheitsbehörden. Kurios bleibt: Beim Schmuggel der über 363 Gramm des äußerst giftigen Stoffes in die bayerische Landeshauptstadt wurden keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Nun heißt es, es müßten vor Übersendung einer Probe noch eine ganze Reihe von Gesetzen beachtet werden, zum Beispiel das Atom-, das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Auch die zollrechtlichen Bestimmungen müßten geprüft werden. Das Prüfverfahren werde noch ein wenig dauern. Einen Zeitpunkt für die Übersendung konnte Hausmann daher nicht nennen.
Für Manfred Such, dem Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen im Bonner Untersuchungsausschuß, belegen die neuen Unterlagen „in eindruckvoller Weise, daß man von seiten dieser ebenso überflüssigen wie gefährlichen Behörde sogar zur Duldung von mehreren Plutoniumflügen bereit war“. Weder BND noch LKA hätten versucht, den gefährlichen Transport zu unterbinden. Sie hätten „im Gegenteil alles unternommen, den Bombenstoff aus Moskau zu besorgen“. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen