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Verspäteter Rosenmontag gegen neuen Müllofen

■ Umweltgruppen boykottieren Anhörung über die schon beschlossene MVA Altenwerder

Eine Woche nach Rosenmontag tauchten sie als singende Müll-Teufel mit feuerroten Perücken und kleinen Hörnern auf der Stirn im Foyer der Gewerbeschule für Kraftfahrzeugtechnik am Ebelingplatz auf. Doch der gestrige Auftritt der Einwender gegen die geplante Müllverbrennungsanlage (MVA) in Altenwerder war keine verspätete Karnevals-Darbietung. Der „öffentlichen Erörterung“ der 1291 Einwendungen gegen das 500-Millionen-Projekt, die die Umweltbehörde bis heute abend anbietet, erteilten verschiedene Umweltschutzorganisationen ihre Boykott-Erklärung.

Die Verträge über künftige Müll-Lieferungen sind längst mit der Stadtreinigung und den vier niedersächsischen Umlandkreisen unter Dach und Fach, die Anlage politisch beschlossen, die Fläche in Altenwerder fest umrissen: „Damit gerät Bürgerbeteiligung zur Farce“, spie Ursula Ottilie vom Forum Wilhelmsburg den diskussionsfreudigen MitarbeiterInnen der Umweltbehörde entgegen.

Die räumten zwar ein, daß die „Gestaltungsspielräume eng sind“. Doch hätten die aufgebrachten BürgerInnen durchaus Chancen, strengere Werte für Dioxine durchzusetzen oder andere Umweltvorschriften zu hinterfragen, fand Diplom-Ingenieur Gerd Robrahn. Der Protest gegen Senatsbeschlüsse sei „nicht unsere Sache“, hieß es.

Mit einer Verbrennungskapazität von 320.000 Jahres-Tonnen, so die Kritik, wird Müll-Vermeidung unmöglich: Weder sei die Nachfrage für diese Mengen nachgewiesen noch Alternativen wie mechanisch-biologische Anlagen geprüft worden. Nur bei voller Auslastung aber rechne sich die MVA. Zudem haben sich die Landkreise für 20 Jahre verpflichtet, den Hamburger Müllofen mit jährlich 120.000 Tonnen Dreck zu füttern.

Der gewählte MVA-Standort erscheint dem Förderkreis „Rettet die Elbe“ widersprüchlich: Die Wirtschaftsbehörde beanspruche jeden Zentimeter Altenwerders für die Hafenerweiterung; gleichwohl werde die MVA jetzt „direkt am seeschifftiefen Wasser gebaut, wo eigentlich Containerschiffe anlegen könnten“. Der dortige Drehkreis sei viel zu klein für Schiffe, widersprach Robrahn. Auch den Planungen einer zweiten Brücke über den Köhlbrand stehe der 80 Meter hohe Müll-Schornstein nicht im Wege: „Das haben wir alles mit einberechnet.“

Nach Behörden-Plänen soll die MVA 1999 in Betrieb gehen. Mit der Ausweitung der Verbrennungskapazitäten will Hamburg aus der Deponie Schönberg aussteigen.

Heike Haarhoff

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