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Alles Essig bei Gurkenkönig Carl Kühne

■ Carl Kühne legt Produktionsstandort in Bahrenfeld still / 170 Arbeitsplätze weg

Seit Donnerstag abend ist es sicher: Die Firma Carl Kühne wird ihre Produktion in Bahrenfeld einstellen und 170 Beschäftigte entlassen. Im Sommer soll in der Nähe des mecklenburgischen Zarrentin die neue Produktion aufgenommen werden. Am alten Standort bleiben nach den Plänen der Betriebsleitung nur 130 Arbeitsplätze in der Zentrale für Vertrieb und Verwaltung erhalten.

Gestern rief der Betriebsrat zur Betriebsversammlung. Denn nur 100 MitarbeiterInnen sollen in Zarrentin weiterbeschäftigt und täglich mit Bussen ins 60 Kilometer entfernte neue Werk gefahren werden. „Wir schaffen 100 neue Arbeitsplätze“, rechnet dagegen Roswitha Behland, Sprecherin von „Essig-Kühne“ vor, zudem würde „den verbleibenden 70 Arbeitskräften selbstverständlich angeboten, in einem unserer anderen Werke zu arbeiten“. Zum Beispiel in Berlin, Bayern oder Lübeck, das sei, so Behland, „doch nicht weit weg“.

Bei der Demonstration nach der gestrigen Versammlung war die Belegschaft jedoch anderer Meinung. „Ich arbeite seit 16 Jahren hier, ich kann mit meiner Familie nicht so einfach weggehen“, grummelt ein Arbeiter im grünen Overall. Und auf die Frage, wie sie sich nach der Entscheidung nun fühle, meint eine junge Frau nur: „Beschissen!“

Bestürzt sind auch die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) und die Wirtschaftsbehörde. Seit Juni und besonders intensiv seit dem Brand bei Kühne im Dezember vergangenen Jahres hatten sie sich für einen neuen Kühne-Standort in Hamburg eingesetzt. Zur Auswahl standen dafür das ehemalige Colgate-Betriebsgelände und ein Gelände in Allermöhe. Doch Essig-Kühne lehnte ab. Wegen „logistischer Probleme“ bei Colgate, sagt die Kühne-Sprecherin, und in Allermöhe sei das Gelände „zu klein“ gewesen. Der naheliegendere Grund findet sich jedoch in den Subventionen, die dem Senf-Hersteller im Osten winken. „Insbesondere die erheblichen Subventionsvorteile“, bedauert auch Wirtschaftssenator Rittershaus, „gaben den Ausschlag für diese Entscheidung“. Es sei doch unsinnig, den Umzug von Unternehmen aus Hamburg in „wenige Kilometer entfernte Fördergebiete“ hoch zu subventionieren. NGG-Sekretärin Christa Sachse bringt es auf den Punkt: „Mit ,Aufbau Ost' kann nicht gemeint sein, daß hier in Hamburg zweihundert Menschen arbeitslos werden.“ Uwe Scholz

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