Explodierende Gewinne bei Hoechst

Konzentration aufs Kerngeschäft und Arbeitsplatzabbau gehen weiter  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

BASF und Bayer haben ihre außerordentlich positiven Bilanzen für das Geschäftsjahr 1995 bereits vorgelegt. Gestern zog Hoechst nach: Gewinnexplosionen bei den Giganten der Branche. Und die einzig spannende Frage auf der Bilanzpressekonferenz von Hoechst war die nach der Höhe der Dividende. Würde Hoechst die 13 Mark pro Aktie, die Bayer auszuschütten gedenkt, übertrumpfen? Nein: Auch Hoechst wird „nur“ 13 Mark auszahlen. Dabei hatte alle Welt mit wenigstens 50 Pfennig mehr gerechnet.

Der Aktie von Hoechst haben die Spekulationen einen neuen Höchstwert von 475 Mark gesichert. 1995 lag der von Hoechst notierte Höchstwert des Aktienkurses bei „nur“ 390 Mark. Vorstandsvorsitzender Jürgen Dormann gab sich mehr als nur zufrieden: Aufwärtstrend fast überall. 4,091 Milliarden Mark Gewinn vor Steuern hat der Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftet. Das ist eine Steigerung von 85,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Da bleiben nach Steuern immerhin noch 2,245 Milliarden Mark in der Konzernkasse hängen, von denen knapp eine Milliarde an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Mit einer Bilanzsumme von 52,687 Milliarden Mark setze Hoechst gleichfalls eine neue Rekordmarke: plus 29,8 Prozent.

Nur der schwache Dollar bremste den Höhenflug

Hoechst hätte noch mehr verdienen können, wenn nicht die bösen Währungseinflüsse den Konzernumsatz rechnerisch um 6,6 Prozent oder 3,3 Milliarden Mark nach unten gedrückt hätten. „Die anhaltende Schwäche des US-Dollar, der im Durchschnitt mit 1,43 Mark und damit um 12 Prozent niedriger bewertet war als im Vorjahr, macht alleine 2 Milliarden Mark Umsatzeinbuße aus“, erklärte Dormann.

Erkauft wurde das dennoch erfolgreiche Gesamtergebnis (auch) durch Rationalisierungsmaßnahmen und den Verkauf von Firmen, wie etwa der Kosmetikgesellschaften Jade, Marbert und Schwarzkopf, die nicht in das unternehmerische Konzept von Dormann passen. Der Vorstandsvorsitzende will die Aktivitäten des Konzerns auf die „innovativen Kerngeschäfte“ – Pharma (Gesundheit), Organische Chemikalien, Spezialchemikalien – konzentrieren und auf diesen Geschäftsfeldern dann „First Global Player“ werden: „Die Kerngeschäfte müssen global ausgebaut und in den entscheidenden Märkten in eine Spitzenpositionen gebracht werden.“

Der weitere Stellenabbau gehöre dabei mit zum unternehmerischen Konzept, auch wenn Hoechst nicht nur rationalisiere, um den Gewinn zu erhöhen. „Eine Magerkur für sich allein ist nicht tragbar“, sagte Dormann. „Aber wir müssen angesichts des steigenden Wettbewerbsdrucks und steigender Kosten, vor allem Personalkosten, am Markt wettbewerbsfähig bleiben.“

Den Job gekostet hat diese globale „Magerkur“ im vergangenen Jahr nach Konzernangaben rund 4.000 Menschen. Eine geschönte Bilanz, denn im Geschäftsbericht 1995 wurden flugs die Arbeitsplätze in neu erworbenen Gesellschaften hinzugerechnet: insgesamt 12.862 neue Hoechst-MitarbeiterInnen. In Wirklichkeit „produzierte“ Hoechst deshalb im letzten Jahr rund 16.000 Arbeitslose.