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Fans werden abgearbeitet

Für normale Menschen gibt es keine Karten für das Pokalendspiel, weil sie im Kontingent vergeben werden. „Es ist eben ungerecht“  ■ Von Rolf Lautenschläger

Die Berliner Fußballnarren sind sauer. Nein, nicht weil Hertha BSC das letzte Heimspiel gegen Jena total vergeigt hat. Unmut herrscht in der Szene, da es für das Pokalendspiel am 25. Mai in Olympiastadion keine Karten im freien Verkauf für das Match Kaiserslautern gegen Karlsruhe gibt. Wer wie früher in seinem kleines Sportgeschäft in der Nachbarschaft nach Tickets fragte, der erhielt dort die gleiche Antwort wie Interessenten an Theaterkassen, anderen Vorverkaufsstellen oder Reisebüros: Karten für das Pokalendspiel? Njet!

„Die Fußballfans reagieren total grantig“, erzählt die Besitzerin der Theaterkasse in Schöneberg. „Denen stinkt es, daß keine Kontigente für sie abgegeben wurden.“ Mit Bluthochdruckgesichtern hätten manche gleich im Laden ihrer Wut Luft gemacht und die DFB- Oberen beschimpft. Sogar die Blutgrätsche für Edigius Braun, den Chef des Deutschen Fußballbundes, sei gefordert worden.

Nichts anderes haben Verkäufer in Sportgeschäften zu berichten: Es gebe für sie keine Karten. Damit fiel auch der Gewinn für die Verkäufer ins Wasser. „Das Geschäft will jetzt wohl der Fußballbund allein machen. Und wie die Karten verteilt werden, legen die fest“, mutmaßt ein Angestellter, dem die kartenhungrigen Hooligans sichtlich auf die Nerven gingen.

Die Nerven liegen blank, auch beim Berliner Fußball Landesverband (BLV), der die Kartenwünsche nur noch per Sprechschleife abwimmelt. Denn alle Tickets werden vom DFB und dem Berliner Fußball-Landesverband „nach festgelegten Regularien und Vorbestellungen vergeben“, wie Klaus Höhne, Chef des BFV sagt. Und die hören sich an wie eine (beinahe) geschlossene Veranstaltung. Von den rund 70.000 Karten gehen je 17.500 an die beiden Endspielteilnehmer. Mit zwei oder dreitausend Tickets müssen sich die Fans des Damenpokal-Endspiels zufrieden geben. „Die haben einfach weniger Interessenten“, rechnet Höhne. Den Rest (rund 40.000 Karten) teilen sich der DFB, der seine Klientel damit bedient und der Berliner Fußballverband.

„Unsere ersten Empfänger sind die Vereine“, so Höhne. Von den 18.500 Karten für Berlin seien für Mitglieder und Funktionäre weit über die Hälfte reserviert. „Das ist eine kleine Entschädigung für deren ehrenamtliche Arbeiten.“ Außerdem „gehöre“ das Pokalendspiel nicht dem Club-Anhänger oder dem Ausnahmezuschauer, „sondern allen Berliner Fußballfreunden“.

Der kleine Kartenrest werde dann nach einer „internen Reihenfolge abgearbeitet“, erklärt Höhnes Sprecherin Bärbel Richter das weitere Vergabesystem. Die schriftlichen Bestellungen seien der Reihe nach erfaßt und danach die Restkarten verkauft worden. Wer zu spät kam, sah in die Röhre. Daß darüber hinaus noch Mengen an VIPs, Offizielle und Spitzenfunktionäre gingen, macht den Kartenberg nur mehr kleiner. Und hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, daß hier und dort noch Freikarten an gute Freunde verteilt wurden. „Es ist eben ungerecht“, meint Höhne. Der Vorbestellungstermin für das Cup-Finale 1997 beginnt übrigens am 1. Dezember 1996.

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