: Gefangen in der Traumfabrik
■ Schwule und Lesben im Film: „The Celluloid Closet“ (22.10 Uhr, arte)
„Man muß nicht betrunken sein, um mit Catherine Deneuve schlafen zu wollen“, sagt die US- Schauspielerin Susan Sarandon in dem Dokumentarfilm „The Celluloid Closet“. Sarandon bezieht sich dabei auf Dreharbeiten an einer Liebesszene mit ihr und der Deneuve in dem Film „The Hunger“ (1980). Sehr vorsichtiges Petting mit Weichzeichner – und doch sollte Sarandon hier eine Frau spielen, die nur unter Alkoholeinfluß mit einer anderen Frau ins Bett gehen kann. Sarandon lehnte dies ab und spielte nüchtern.
„The Celluloid Closet“, das neueste Werk der schwulen Oscar- Preisträger Rob Epstein und Jeffrey Friedman, erzählt die Geschichte der Darstellung von Schwulen und Lesben im Hollywoodfilm, eine Geschichte der Unterdrückung und des Verschweigens. Wie hat die Traumfabrik fast hundert Jahre lang unser Verständnis von Männlichkeit und Weiblichkeit beeinflußt? Virtuos und humorvoll aneinandergeschnitten, finden sich hier offen homosexuelle oder indirekte – quasi subversiv – gleichgeschlechtliche Filmszenen: mehr als hundert Beispiele, vom Edisonschen Stummfilm bis zum New Queer Cinema. Auch jene Szenen sind dabei, die über die Jahrzehnte der rigiden Hollywoodzensur zum Opfer fielen. Beispielsweise eine Sequenz aus dem Historienschinken „Spartacus“, bei der Tony Curtis und Laurence Olivier gemeinsam im römischen Pool baden.
Besonders eindrucksvoll schildern Epstein und Friedman die gnadenlose Stereotypisierung, der lesbische und schwule Charaktere von Hollywood unterworfen wurden: der Schwule als feminisiertes Weichei, als alberner Schönling; die Lesbe als kaltes, brutales „Mannweib“. Unglücklich hatte das Leben dieser Homos zu verlaufen – und möglichst im Freitod zu enden.
Doch „The Celluloid Closet“ ist nicht nur ein Trauermarsch durch die Filmgeschichte. Auch im Programm: ein souveräner Frauenkuß von Marlene Dietrich in „Marocco“ oder verschlüsselt- schmachtende Blicke zwischen den Wagenlenkern in „Ben Hur“.
Susan Sarandon ist übrigens nur eine von mehr als einem Dutzend Schauspielern, Regisseuren, Autoren, Produzenten und Prominenten, die diese Dokumentation mit Anekdoten, Erfahrungen und politischen Bekenntnissen anreichern: darunter Tom Hanks, Shirley MacLaine, Whoopi Goldberg, Tony Curtis, Gore Vidal und Armistead Maupin. Philip Kahle
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