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Der Dealer zahlt fürs Aussteigen

■ Um Klage wegen Suchterzeugung zu umgehen, bietet der „Chesterfield“-Hersteller Geld für Anti-Raucher-Programme

Berlin (taz) – Zum ersten Mal will eine US-Zigarettenfirma für die Folgen des Rauchens aufkommen. Der Liggett-Konzern, Hersteller von „Chesterfield“ und „L & M“ und mit einem US- Marktanteil von 2,3 Prozent der fünftgrößte US-Zigarettenhersteller, hat eine außergerichtliche Lösung mehrerer anhängiger Gerichtsverfahren vorgeschlagen: Für die nächsten 25 Jahre stellt Liggett jährlich fünf Prozent seines Bruttoprofits – aber höchstens 50 Millionen Dollar – für Anti-Rauchersucht-Programme zur Verfügung. Ferner gehen weitere zwei bis sieben Prozent – Genaues bliebe auszuhandeln – in die Gesundheitsetats von fünf US-Bundesstaaten.

Der Vorschlag soll die laufenden Verfahren gegen die US-Zigarettenindustrie beenden. Derzeit werden die Tabakkonzerne im sogenannten Castano-Prozeß verklagt, weil sie angeblich Raucher bewußt süchtig machen. Die Kläger verlangen als Entschädigung für alle vergangenen und gegenwärtigen Raucher die Rückzahlung des gesamten jemals für Zigaretten ausgegebenen Geldes. Das ist natürlich Unsinn, aber es hat die Zigarettenindustrie in die Defensive gebracht: Sie müßte beweisen, daß sie nicht weiß, daß Nikotin süchtig macht. Im zweiten Verfahren verklagen die US-Bundesstaaten Massachusetts, Mississippi, Minnesota, Florida, West-Virginia und Louisiana die Zigarettenindustrie auf Rückzahlung aller Kosten, die durch die Behandlung von raucherbedingten Gesundheitsschäden entstehen.

Mit dem Vorschlag spart der Konzern Millionen

Bisher blockten die US-Tabakkonzerne gemeinsam beide Forderungen ab. Nun ist Liggett aus der Einheitsfront ausgeschert. Das macht Sinn: Die Anwaltskosten in den Gerichtsverfahren kosten den Konzern jährlich zehn Millionen Dollar – der neue Vorschlag würde nach gegenwärtigen Profitraten nur etwa zwei Millionen Dollar im Jahr kosten. Außerdem vermeidet es Liggett, einzelne Raucher zu entschädigen – wie es die Castano- Kläger fordern –, und gesteht auch keine Schuld ein. So könnte die Firma in Zukunft die Beschuldigung des wissentlichen Süchtigmachens weiterhin zurückweisen und zugleich weitere derartige Klagen mit dem Verweis auf die vorliegende Einigung abblocken. Liggett-Anwalt Marc Kasowitz sagte: „Durch diese Lösung nimmt Liggett das Thema Sucht aus Tabakklagen heraus“.

Der Vorschlag kann aber nur dann angenommen werden, wenn alle Beklagten zustimmen. Das wollen sie bisher nicht: „Wir werden unsere Verfahren weiterführen und gewinnen“, erklärte Marktführer Philip Morris. Die Firma Reynolds, Teil von RJR Nabisco, sprach von einem „unverantwortlichen Trick“, mit dem Liggett eine feindliche Übernahme vorbereite. 1994 wurden in den USA 485 Milliarden Zigaretten verkauft, mit sinkender Tendenz, und 420.000 Menschen starben an den Folgen des Rauchens. D.J.

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