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Die neue F-Klasse Von Klaudia Brunst

Eigentlich hatten wir da gar nicht reingewollt. Aber weil die Galeries Lafayette immmer noch von Schaulustigen überbevölkert waren, mußten wir unsere samstägige Schaufensterneugier kurzfristig anderweitig befriedigen. Und bei Mercedes hatten sie etwas im Fenster, daß uns tatsächlich erstaunte: Ein Fahrrad.

„Das ist ja wohl die Höhe!“ empörte sich meine Freundin, während sie versuchte, das silberne Rad durch die Panzerglasscheibe näher in Augenschein zu nehmen. „Jetzt machen die auch noch in Umweltschutz.“ – „Dieser Benz verbraucht kein Benzin“, wehte uns eine schmierige Autohändlerstimme von hinten an, „sondern nur noch Ihre Kalorien. Mein Name ist übrigens Matzig.“ Jovial reichte er uns die Hand. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“ Während uns der Mann in den Verkaufsraum zog, spulte er die gesamten Vorzüge seiner neuen „F-Klasse“ ab: „Kernstück unserer Neuentwicklung aus dem Sindelfinger Forschungslabor ist der völlig überarbeitete Antrieb über eine Vollgummiantriebswelle. Geräuscharm, wartungsfrei, 100 Prozent recyclingfähig“, ratterte er los, „die Lichtmaschine betätigen Sie – wenn Sie bitte mal schauen wollen – über einen Fernsteuerhebel am spurgetreuen Lenkgestänge...“ – „Gar nicht so übel!“ flüsterte ich meiner Freundin zu, während wir uns Herrn Matzigs fleischigem Zeigefinger entgegenbeugten – „...und ihr Reisegepäck findet geräumigen Platz auf dem multifunktionalen Gepäckträger, der zugleich die Zentralverriegelung, äh, das Bügelschloß bildet.“ – „Geniale Idee“, fand nun auch meine Freundin, und folgte Herrn Matzig bereitwillig auf den Hinterhof, um „weitere Details während einer kostenlosen Probefahrt“ kennenzulernen.

„Geht ab wie eine Rakete!“ prustete sie atemlos, als sie eine halbe Stunde später den Benz wieder vor der Eingangstür parkte. „Das verdanken Sie der sportlichen 7-Gang-Schaltung“, freute sich Herr Matzig mit ihr, während meine Freundin sich prüfend unter das Gefährt beugte. „Wie steht es denn mit den Wartungsarbeiten?“ versuchte ich unsere kritische Haltung wieder aufzubauen. „Die Scheckheft-Inspektionen übernimmt selbstverständlich jede autorisierte Mercedesvertragswerkstatt“, beruhigte uns der Mann, „auf die Antriebswelle haben Sie 10.000 Kilometer Garantie sowie 10 Jahre auf auftretende Korrosionsschäden am Chassis“.

„Das ist schon was anderes als meine alte Klapperkiste von Bikes & Dykes“, fand meine Freundin. Und Herr Matzig fand das auch. „Sie können die F-Klasse natürlich auch leasen, falls Sie das Fahrzeug überwiegend beruflich nutzen möchten“, fuhr er fort, während er uns unser persönliches Kaufangebot unterbreitete. „Fehlt nur noch eine Unterschrift hier, wo ich das Kreuzchen gemacht habe.“

„Guck mal! Ist das nicht niedlich?“ rief ich meiner Freundin zu, die gerade mit dem Schraubgewinde von Herrn Matzigs Pelikanfüller kämpfte, „Er hat sogar einen kleinen Mercedesstern!“ Da fiel ihr alles wieder ein: Ihre Antiautomobilgesinnung, die Sache mit dem Rüstungskonzern und ihre politische Korrektheit. Reumütig schlichen wir wieder nach draußen. „Der hatte ja nicht mal einen Drei- Wege-Kat“, rang meine Freundin sichtbar um Fassung. „ich hab's ja gleich gesagt: Umweltschweine.“

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