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Verordneter Lumpenlook für Rumänen

Die Berliner Polizei steckte Abschiebehäftlinge in ausgediente Polizeiklamotten ohne Reißverschlüsse und Taschen – aus „polizeilicher Fürsorge für das leibliche Wohl“ der Inhaftierten  ■ Aus Berlin W. Gast

Der latente Rassismus zeigt sich im Detail: Jahrelang hat die Berliner Polizei rumänische Abschiebehäftlinge nicht nur in lumpenartige Polizeitrainingsanzüge gesteckt. Die Flüchtlinge wurden auch in dieser Kleidung bei Gerichten vorgeführt. Wie der Berliner Oberkommissar Wolfram Polewczynski der taz bestätigt, wurden die Rumänen „praktisch nackt ausgezogen, und sie mußten diese Lappen anziehen“. Aus den Jacken und Hosen waren zuvor alle Reißverschlüsse herausgetrennt worden. Und wo vorher Hosentaschen waren, klafften große Löcher. Unterwäsche gab es nicht.

Zum Teil, sagt der Oberkommissar, hätten die Abschiebehäftlinge so mehrere Monate im Polizeigewahrsam verbringen müssen. Manche seiner Kollegen hätten darüber gespottet, anderen sei dies gleichgültig gewesen. Polewczynski steht kurz vor seiner Pensionierung. Aufgedeckt wurden die Vorgänge jetzt durch das ARD-Fernsehmagazin „Panorama“. Die Fernsehjournalisten stützen sich nicht nur auf die Aussage des Polizeibeamten. Dem Magazin liegen auch Polizeifotos aus den Jahren zwischen 1990 und 1994 vor. Diese zeigen Flüchtlinge, die offensichtlich halbnackt für die Kartei der Polizei abgelichtet wurden.

Die Berliner Polizeispitze rechtfertigte die Praxis mit der Behauptung, es habe unter rumänischen Flüchtlingen Fälle von Selbstverletzungen gegeben. Den Inhaftierten wurde die eigene Kleidung weggenommen, damit sie darin keine Rasierklingen in die Haft mitbringen konnten. Auch an den Reißverschlüssen hätten sich manche bewußt verletzt, um einer Abschiebung zu entgehen. Wolfram Polewczynski liegt ein Schreiben vor, in dem der frühere Berliner Polizeipräsident und heutige Leiter des Landeskriminalamtes, Dieter Schenk, die Praxis verteidigt. Ende August 1994 schrieb Schenk an Polewczynski: „Die etwas dürftige Bekleidung ergab sich aus der polizeilichen Fürsorge für das leibliche Wohl der Häftlinge.“

Gegenüber dem Fernsehmagazin bestätigte auch der Berliner Staatssekretär in der Senatsinnenverwaltung, Kuno Böse, die Einkleidung der Flüchtlinge mit „Trainingsanzügen ohne Reißverschlüsse“. Den Begriff „Lumpen“ wies Böse zurück: „Das ist normale Kleidung, in der zum Beispiel auch Beamte ihren Sport verrichten oder aber sonstige dienstliche Tätigkeiten.“

Dem Berliner Amtsrichter Ludolf von Saldem ging dies zu weit. Er beschreibt den Fall eines ihm vorgeführten Rumänen „mit viel zu weiter Hose, so daß dieser Rumäne sich die Hose festhalten mußte, die Jacke dadurch aufging und der nackte Oberkörper zu sehen war“. Von Saldem erklärte die Haftbedingungen kurzerhand für unverhältnismäßig: „Das zu einer richterlichen Vernehmung in einem rechtsstaatlichen Verfahren – ich dachte, das kann nicht wahr sein.“ Der Amtsrichter entließ den Vorgeführten aus der Haft. Die Polizei leitete daraufhin gegen den Richter ein erfolgloses Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung ein. Und: Polewczynski zufolge wurden fünf neue Trainingsanzüge angeschafft – für die richterlichen Vorführungen. „Danach“, sagt der Polizeibeamte, „haben die ihre alten Lumpen wiederbekommen.“ Erst Ende 1994 wurde die „Praxis“ abgeschafft.

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