Frankreich frißt Li Peng aus der Hand

■ Kotau von Frankreichs Premier Juppé bei Li Pengs Parisbesuch: Kein Ton über Menschenrechte beim Bankett

Paris (taz) – Li Peng, der Premierminister über ein Viertel der Menschheit und über das Land mit der größten Wachstumsrate, hat wieder einmal erreicht, was er wollte: Schweigen zu den Verbrechen seines Regimes. Nach heftigen Protesten der chinesischen Delegation verzichtete der französische Gastgeber Alain Juppé auf seinen geplanten kritischen Hinweis auf die Lage der Menschenrechte in China. Das offizielle Abendessen der beiden Premierminister in Paris verlief ohne die üblichen Tischreden und ohne Lächeln. Alles zum Wohle des Geschäfts: Am Ende unterzeichneten Frankreich und China einen Kaufvertrag über 33 Airbusse.

„Li Peng – verschwinde!“ hatten nachmittags Demonstranten in der französischen Hauptstadt gerufen. Sie erinnerten an das Massaker vom Juni 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking, an die Zwangsarbeit in chinesischen Lagern und an die chinesische Besetzung von Tibet. Anstatt Geschäfte mit Mördern zu machen, sollte die Regierung die universellen Werte der Französischen Revolution verteidigen, verlangten die Menschen auf der Straße, die ein politisches Spektrum von Sozialistisch bis Konservativ-Gaullistisch repräsentierten.

Doch hinter den Mauern der Regierungspaläste war der Kunde Li Peng, der Frankreich wegen dessen guten Beziehungen zu Taiwan lange geschnitten hatte, König. Li Peng hat bereits Erfahrung mit vergleichbaren Kotaus seiner Gastgeber: Bei seinem Berlinbesuch im Jahr 1994 sorgte er dafür, daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen einen chinakritischen Satz aus seiner Tischrede strich, und als ihm ein paar Tage später in München die Demonstranten auf der Straße allzu hartnäckig erschienen, blieb der chinesische Premier einfach in seinem Hotel.

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac versuchte gestern zu retten, was zu retten war. Im vertraulichen Gespräch mit Li Peng wies er ausführlich darauf hin, wie groß für Frankreich die Bedeutung der Menschenrechte ist, hieß es aus dem Elysee-Palast. Vor den Augen der Öffentlichkeit hingegen unterzeichnete Li Peng anschließend einen weiteren Vertrag. Nach dieser Absichtserklärung wollen die Chinesen zusammen mit dem französischen Staatsunternehmen Aerospatiale ein 100sitziges Flugzeug entwickeln.

Opfer einer derartigen Zusammenarbeit, die allerdings erst im kommenden Juni festgeklopft werden soll, wäre die US- amerikanische Firma Boeing, die ebenfalls auf das Geschäft spekuliert hat. Die Regierung in Washington hatte vor ein paar Wochen, als die chinesische Marine während der Wahlen in Taiwan Manöver vor den Küsten der Insel abhielt, entschieden heftiger reagiert als Paris. Dorothea Hahn

Tagesthema Seite 3