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Von der FDP trennen sie Welten

Heute beginnen in Schleswig-Holstein die Koalitionsverhandlungen zwischen der SPD und den Grünen. Die FDP kommt als Verhandlungspartner für Heide Simonis nicht mehr in Frage  ■ Aus Kiel Kersten Kampe

In Kiel wird's für Rot-Grün ernst: Heute treffen zur ersten Runde der Koalitionsverhandlungen je zwölf Vertreter der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen aufeinander. Drei Wochen nach der Wahl haben sich die SPD und auch Ministerpräsidentin Heide Simonis vom Schock des Verlusts der absoluten Mehrheit und sechs Prozent der Stimmen erholt. Die Grünen sind nach der Euphorie über den Wahlsieg wieder auf den Boden zurückgekehrt. In den kommenden fünf Wochen wollen sie den Pakt für eine vierjährige Zusammenarbeit aushandeln.

Am 18. Mai soll den Parteien der Koalitionsvertrag zur Abstimmung vorgelegt werden, am 22. Mai will Heide Simonis zur Ministerpräsidentin gewählt werden. Grüne und SPD haben im Vorfeld keinen Zweifel daran gelassen, daß sie gute Chancen für eine rot-grüne Zusammenarbeit in Schleswig- Holstein sehen, nachdem bei einem ersten Sondierungsgespräch vor Ostern „Irritationen“ aus dem Wahlkampf ausgeräumt worden waren. Auch Heide Simonis, die im Wahlkampf aus ihrer Abneigung gegenüber den Grünen keinen Hehl gemacht hat, übt sich in moderateren Tönen. Ihre Partei hatte ihr klargemacht, daß es eine Alternative zu Rot-Grün nicht gibt. Einstimmig hatte der Landesvorstand dafür votiert, und auf dem sogenannten kleinen Parteitag hatte es bei etwa 60 Anwesenden nur 3 Gegenstimmen gegeben. Simonis hat durch den Stimmenverlust in der eigenen Partei Autorität eingebüßt. Nun versichert sie, sie wolle von der rot-grünen Mehrheit gewählt werden. Von der FDP trenne sie inhaltlich Welten.

Die Inhalte jedoch werden vom Rotstift diktiert. Als erstes kommen heute nachmittag auf den Tisch im Gästehaus der Kieler Landesregierung Zahlen: Finanzminister Claus Möller wird den grünen Mitgliedern der Verhandlungskommission eine vorläufige interne Steuerschätzung präsentieren. Gerechnet wird mit einem Finanzloch in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages. Auf ihre solide Haushaltspolitik ist die Sparkommissarin Simonis stolz. Die Grünen wollen da nicht hintenanstehen: „Wir sind keine Verschuldungspartei, auch wir wollen eine solide Haushaltspolitik“, erklärte die Pressesprecherin der Grünen, Birgit Müller. Umschichtung heißt für die Grünen das Zauberwort, aber auch über neue Schulden wird geredet werden müssen. 50 Millionen Mark fordern sie für neue Lehrer. Allerdings appellierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Willi Voigt intern an die Verhandlungsarbeitsgruppen, „ihrerseits dafür Sorge zu tragen, daß die Verhandlungsvorbereitungen nicht als schlichte Addition auch noch so berechtigter Forderung mißverstanden werden!“

Gemeinsam in guten und in schlechten Zeiten

Anders als die SPD, deren Basis hinter Rot-Grün steht, haben die Spitzenleute der Grünen nicht nur das Problem, daß sie sich als Parlamentsneulinge davor wappnen müssen, von der SPD über den Tisch gezogen zu werden. Auch die eigene Basis sitzt ihnen im Nacken, Ansprüche werden formuliert, sieben Verhandlungsarbeitsgruppen tragen die Wünsche zusammen. Simonis pocht darauf, daß man gemeinsam für das Gute wie das Schlechte verantwortlich sei. Spannend wird die Diskussion um die Ostseeautobahn A 20. Wie wollen die Grünen-Funktionäre, für die schon längst klar ist, daß sie die A 20 nicht verhindern können, dieses ihren Mitgliedern verkaufen? Zahlreiche Initiativen haben sich auf das Wort der Grünen verlassen, „A 20 nicht mit uns“.

Dissenz zwischen SPD und Grün wird es bei der Atompolitik geben. Zwar wollen beide den Ausstieg, doch den Grünen geht es nicht schnell genug, nicht alle Möglichkeiten zum Abschalten der drei Reaktoren im Land sind aus ihrer Sicht von der SPD ausgeschöpft worden. Dies soll geändert: Auch wenn über Posten erst nach den Inhalten geredet werden soll, an einem grünen Umwelt- und Energieminister führt nichts mehr vorbei, der dann beweisen muß, daß er es besser kann. Auch an der Forderung eines zweiten Ministeriums halten die Grünen fest. Parteiintern im Gespräch sind als zweites Ressort Frauen und Soziales oder Frauen, Bundesrat- und Europaangelegenheiten.

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