: Gemeinnützig einkaufen
■ Erstes Kaufhaus mit Produkten aus gemeinnützigen Vereinen eröffnete gestern in Kreuzberg. "stattKauf" schafft 13 Langzeitarbeitslosen eine neue Lebensperspektive
Freudestrahlend übers ganze Gesicht schenkte Christa Schmidt aus Prenzlauer Berg den Sekt in die Gläser. Mit der Eröffnung des gemeinnützigen Kaufhauses „stattMarkt“ in der Kreuzberger Boppstraße 7 ist die 57jährige nicht mehr arbeitslos. „Ich fühle mich phantastisch, der Elan ist wieder da.“ Seit ihrem 15. Lebensjahr habe sie immer gearbeitet, zuletzt im Handel und der Verwaltung. „Abwicklung, ABM, Umschulung – ich hatte alles mitgemacht“, berichtet sie, „dann wurde ich mangels Arbeit krank.“
Vom Arbeitsamt erfuhr sie dann im vorigen Jahr, daß die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft „Lowtec“ ein Projekt plante, das 13 Langzeitarbeitslosen eine neue Perspektive geben sollte: „Ich hörte Kaufhaus, Handel, dachte, das isses, und bewarb mich.“
Gestern nun war es soweit. „stattMarkt“ öffnete in Anwesenheit von Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) seine Pforten. Auf 700 Quadratmetern werden Produkte und Dienstleistungen angeboten, die von mehr als 20 gemeinnützigen Einrichtungen aus Berlin und Brandenburg stammen.
Holzspielzeug und Kindermöbel von „Klein-Holz“, einem gemeinnützigen Zweckbetrieb des Anti-Drogen-Vereins e.V., ist im Angebot. Bekleidung, Tisch- und Bettwäsche des Finsterwalder Frauenprojektes „Erhalt kultureller Werte“ gibt es zu kaufen. Eine hauseigene Tischlerei sammelt Gebrauchsmöbel, arbeitet diese auf und gibt sie günstig an sozial Bedürftige ab.
Ein Nebenbereich, so „Lowtec“-Geschäftsführer Louis Kaufmann, wird der Aufbau einer Weberei, später auch einer Töpferei und Schuhmacherwerkstatt sein, die etwa von Schulklassen besucht werden kann.
„Angesichts von 200.000 Arbeitslosen in der Stadt und ebenso vielen, die eine feste Erwerbsarbeit suchen, ist die Eröffnung des ,stattMarktes‘ sicher nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, bedauerte Senatorin Bergmann. Doch gerade in Anbetracht der jüngsten Beschlüsse in Bonn zur Arbeitsförderung, die sie als unverantwortlich bezeichnete, gelte es zu zeigen, was der sogenannte zweite Arbeitsmarkt zu leisten in der Lage ist, „ohne daß deshalb die Marktwirtschaft zusammenbricht“. Kathi Seefeld
Einkaufen im „stattMarkt“,
Montag bis Freitag, 9 bis 18 Uhr,
Samstag von 9 bis 14 Uhr
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