: Köstlicher Schlaf
■ Innenminister Kanther (CDU) stattete den Grenzschützern der ZDF-Serie "Küstenwache" einen Truppenbesuch ab
Wasser marsch: In der Vorabendserie „Küstenwache“, die das ZDF 1997 ausstrahlen wird, spielt der Bundesgrenzschutz zur See die Hauptrolle. Schnittig die Wogen der Ostsee kreuzend, geht es mit dem Patrouillenboot „Albatros“ gegen „Waffen-, Menschen-, Rauschgiftschmuggel“ und andere „Umweltverschmutzung“ (taz berichtete am 5. Juni 1996).
Oberster Dienstherr des Bundesgrenzschutzes, der die ZDF- Dreharbeiten mit Schiff und Besatzung großzügig unterstützt, ist Manfred Kanther (CDU). So war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Innenminister den Drehort, die Wieksberg-Kaserne in Neustadt, Schleswig-Holstein, blitzbesuchen würde.
In der vergangenen Woche war es dann soweit: Kanther nahm nach „einer langen Inspektionsreise, die von der polnischen Grenze bis nach Neustadt führte“ (Lokalpresse), die Parade der ZDF-Grenzschützer ab. Besonders beeindruckt zeigte sich der Minister – so die Heimatzeitungen – von den „echten Maschinistenhänden“ des Schauspielers Elmar Gehlen. Auch gefiel dem „vom Scheitel bis zur Sohle korrekt gekleideten Dr. Manfred Kanther“, daß Hauptdarsteller Rüdiger Joswig „formvollendet salutierte“.
Bei soviel vaterländischer Folklore wollte auch Kanther nicht zurückstehen. Zackig ging er hinter dem Mikro in Lauerstellung und stoppelte kopfhörerbewehrt eine „Stegreifreportage“ für das ZDF zusammen. O-Ton Kanther: „Alles gibt's das erste Mal im Leben, und diesmal der Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Rahmen eines TV-Spielfilms. Auf der einen Seite eine sehr, sehr echte Darstellung unserer Tagesarbeit, so kann der Fall jeden Tag ablaufen im praktischen Leben der Grenzpolizei; auf der anderen Seite eine gute Mischung von Grenzpolizisten und Schauspielern, die das ganze Geschäft natürlich viel professioneller darstellen können. Eine Besonderheit, wie man sie nicht jeden Tag findet.“
Nach diesem semantischen Frontgang kümmerte sich der Innenminister noch um die Probleme der wahren Küstenwächter. Für seine „Bestandsgarantie“ (es bleibt bei zehn Booten!) kredenzte ihm der Smutje von der „1. Flotille“ im „blauen Salon“ ein Menü, nach dessen Genuß Kanther den Lokalreportern zufolge in einen „köstlichen Schlaf“ fiel. Ob der Herrenreiter seine Badehose mit dem Seepferdchen an den Bettpfosten hängte oder am Mann behielt, konnten die akribischen Journalisten leider nicht herausfinden.
Auf jeden Fall schwirrte Kanther nach dieser Nacht in einer „bescheidenen, aber gut bewachten Einzelkammer“ und „einem letzten Blick in die Lage“ mit dem Hubschrauber wieder ab. Nüchternes Fazit des Ministers in der Kommandosache ZDF: „Das ist eine realistische Darstellung der Arbeit der Küstenwache und eine sehr gute Werbung für uns.“ Kotte/Gehrs
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