Symbolische Entscheidung

■ Die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen Karadzic und Mladic ist keine Garantie für deren Festnahme

Berlin (taz) – Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hätte sich keinen symbolträchtigeren Tag aussuchen können, um seine Entscheidung über die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen den bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić und seinen General Ratko Mladić zu verkünden. Gestern vor einem Jahr wurde die einstige UNO- Schutzzone Srebrenica erobert. Wegen dieser Eroberung und der dabei begangenen Verbrechen sowie der Belagerung von Sarajevo sind die beiden Männer vor dem Tribunal wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Die Anklage geht davon aus, daß mehrere tausend gefangene Muslime aus Srebrenica von den bosnischen Serben grausam gequält und in Massenexekutionen hingerichtet wurden. Zeugenaussagen hatten bei der einwöchigen Anhörung in Den Haag bestätigt, daß zumindest General Mladić bei den Massenerschießungen anwesend war.

Die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen die beiden mutmaßlichen Kriegsverbrecher garantiert allerdings nicht deren Festnahme. Denn bislang konnten die beiden Männer jederzeit festgenommen werden, wenn man denn ihrer habhaft geworden wäre. Karadžić und Mladić werden nun allerdings weltweit auf den Fahndungslisten stehen. Ihre Isolation wird damit unterstrichen.

Bislang hatte das Tribunal einen Haftbefehl an die Justizbehörden in Sarajevo, Pale und Belgrad weitergeleitet. Vor allem der serbische Präsident Slobodan Milosević war seiner Verpflichtung, die Gesuchten festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen, nicht nachgekommen. Ein internationaler Haftbefehl dürfte auch die Staaten der Bosnien-Kontaktgruppe sowie die Ifor-Truppen in Bosnien zu einer härteren Gangart gegenüber gesuchten Kriegsverbrechern veranlassen. US-Verteidigungsminister William Perry prognostizierte bereits am Mittwoch den Beginn einer schwierigen Phase für die Ifor. Unter ausdrücklichem Hinweis auf die verlangte Festnahme von Kriegsverbrechern, die für September geplanten Wahlen in Bosnien und die Rücksiedlung der Flüchtlinge meinte Perry, die kommenden sechs Monate würden einen härteren Einsatz der Ifor verlangen als die bislang erfolgreichen ersten sechs Monate. Auch die Bosnien-Kontaktgruppe hatte am Mittwoch abend nach einem Treffen in London erklärt, es sei wichtig, „Karadžić weiter an den Rand zu drängen“. Erörtert wurden auf der Sitzung nach Angaben des britischen Außenministeriums auch Vorschläge, wie die Regierungen Karadžić von der Macht verdrängen könnten. Einzelheiten wurden nicht bekannt.

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat gestern eine Klage Bosnien-Herzegowinas gegen die Bundesrepublik Jugoslawien für zulässig erklärt. Das Gericht wird jetzt darüber urteilen müssen, ob Jugoslawien sich wegen der Unterstützung der bosnischen Serben im Krieg des Völkermordes schuldig gemacht hat. Im Gegensatz zum Kriegsverbrechertribunal urteilt der Internationale Gerichtshof nicht über Personen, sondern über Staaten. Bosnien hatte Jugoslawien 1993 verklagt. Georg Baltissen