piwik no script img

Protestanten auf dem Durchmarsch

■ Nordirlands Polizei schützt Demonstration der Unionisten durch katholische Viertel mit Gummigeschossen

Belfast (taz/AP/AFP/dpa) – Die nordirischen protestantischen Extremisten des Orangeisten-Ordens haben sich durchgesetzt: Gestern mittag ließen die nordirische Polizei und das britische Militär den Marsch des Ordens durch ein Katholikenviertel in Portadown doch zu. Rund 1.300 Orangeisten beteiligten sich an dem Marsch, der gemäß einer Auflage der Polizei schweigend stattfand.

Der Marsch war am Sonntag zum Stillstand gekommen, weil die Polizei unter Verweis auf Auseinandersetzungen im Vorjahr die Route verboten hatte.

Die größte Partei der nordirischen Protestanten, die Ulster Unionist Party (UUP), hatte ultimativ die Zulassung des Marsches verlangt. Andernfalls drohte der UUP-Chef David Trimble mit schwersten Unruhen. Soldaten hatten daraufhin gestern mittag kurz vor Beginn des Marschs die Garvaghy Road in Portadown geräumt. Als der Führer der katholischen Minderheit, Breandan MacCionnaith, den BewohnerInnen die Entscheidung mitteilte, kamen mehrere hundert KatholikInnen aus ihren Wohnungen und setzten sich auf die Straße. Als sie von Polizei und Militär verprügelt und vertrieben wurden, hagelte es Flaschen und Steine aus den umliegenden Häusern auf die Einsatzkräfte, die dem Marsch mit Schlagstöcken und Gummigeschossen den Weg bahnten.

Zur Eskalation kam es nach dem Durchzug des Marsches: Die Polizisten der RUC, der mehrheitlich protestantischen Royal Ulster Constablery, ließen ihre aufgestaute Wut an den BewohnerInnen aus und drangen mit Schlagstöcken und wild mit Gummigeschossen um sich schießend in das katholische Viertel ein. Bei Redaktionsschluß dauerten die Straßenschlachten noch an. Sprecher MacCionnaith: „Seit dem Beginn des Bürgerkriegs 1969 hat sich nichts geändert.“

Auch in der Nacht zu gestern war es wieder zu Unruhen gekommen. In Lurgan, acht Kilometer nordwestlich von Portadown, schossen Polizisten mit Gummigeschossen auf protestantische Extremisten, die mit Molotowcocktails warfen. Die Beamten zogen sich zurück, als plötzlich Schüsse fielen. Der militante Politiker Ian Paisley forderte die Demonstranten auf, Härte zu zeigen und nicht einzulenken: „Ihr habt das Schicksal eures Landes in den Händen. Ihr werdet diesen Kampf gewinnen.“ Das haben die protestantischen Extremisten nun erst einmal geschafft. Die Polizei steht wieder auf der Seite, wo sie immer stand, und welche Folgen diese klare Machtdemonstration für die Chancen des Friedensprozesses haben wird, ist noch gar nicht abzusehen.

Die Ereignisse von Portadown könnten heute ihre Fortsetzung erfahren: An der Ormeau Road in Belfast, die mehrheitlich von Katholiken bewohnt wird, ist für heute ein weiterer Marsch angesetzt. Eine Sprecherin der BewohnerInnen hat angekündigt, man wolle den Marsch auf keinen Fall durchlassen. pkt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen