: Ankara und Athen üben sich in Schuldzuweisungen
■ Nachdem auf Zypern der zweite Demonstrant getötet wurde, demonstrieren sowohl Griechenland als auch die Türkei Präsenz auf der geteilten Insel
Nikosia/New York/Bonn (AP/ AFP) – Nach dem zweiten tödlichen Zwischenfall binnen weniger Tage zeigen jetzt die Regierungen Griechenlands und der Türkei Flagge auf Zypern. Die türkische Außenministerin Tansu Çiller wollte noch gestern den türkisch besetzten Teil der seit 22 Jahren geteilten Mittelmeerinsel besuchen. Der griechische Ministerpräsident Konstantinos Simitis ließ erklären, er werde zur Beisetzung des am Mittwoch von türkischen Soldaten erschossenen Zyperngriechen Spyros Solomou reisen. Ein Termin für die Beisetzung stand gestern noch nicht fest. Çiller, die auch stellvertretende Ministerpräsidentin ist, gab der griechischen Seite die Schuld an den Zwischenfällen. Die „Provokationen“ der griechischen Zyprer müßten ein Ende haben, sagte Çiller in Ankara. Frieden und Sicherheit könnten so nicht gewährleistet werden.
Die amerikanische UN-Botschafterin Madeleine Albright kritisierte das Vorgehen der türkischen Truppen. In einer nichtöffentlichen Sitzung des Weltsicherheitsrats in New York sagte Albright am Mittwoch abend, es gebe keine Rechtfertigung dafür, auf unbewaffnete Zivilisten zu schießen. Der deutsche UN-Botschafter Antonius Eitel, derzeit Präsident des Rates, erklärte: „Der Rat warnt vor jeder Eskalation der Situation an der Pufferzone und bittet alle Seiten, Zurückhaltung zu üben und insbesondere die Pufferzone zu respektieren.“
Die Bonner Regierung rief gestern Griechen und Türken auf, den Konflikt friedlich zu lösen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Donnerstag auf Anfrage in Bonn, das Ministerium beobachte mit Besorgnis die zunehmenden Spannungen auf Zypern. Der Einsatz von Gewalt werde nachdrücklich verurteilt. Das Auswärtige Amt fordere alle Beteiligten zur Zurückhaltung auf, um eine weitere Verschärfung der Lage zu vermeiden. Insbesondere müßten die Verantwortlichen beider Seiten wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Verletzung der Pufferzone zu verhindern.
Am Mittwoch hatten türkische Soldaten an der Demarkationslinie zwischen den beiden Teilen der Insel wieder einen griechisch-zyprischen Demonstranten getötet und elf weitere Menschen verletzt, darunter zwei Soldaten der UN- Friedenstruppe. Am Sonntag war ein griechischer Zyprer von Türken in Zivil erschlagen worden.
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