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Argentinien: Der Ärmste macht das Licht aus

■ Oppositionsbündnis protestiert gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung

Buenos Aires (taz/AFP) – Fünf Minuten lang wollte Argentiniens Opposition gestern abend alle Lichter löschen – als großen Protest gegen die sozialen Folgen der Wirtschaftspolitik. Zum ersten Mal agieren in einem breiten Bündnis die beiden großen Oppositionsparteien, die Radikale Bürgerunion (UCR) und die Front für ein solidarisches Land (Frepaso), gemeinsam. Gut sechs Jahre Regierung Carlos Menem haben's möglich gemacht.

Tatsächlich steckt Argentinien in einer dramatischen sozialen Krise. Die Auslandsschulden belaufen sich mittlerweile auf mehr als 98 Milliarden Dollar (145 Milliarden Mark), und die vom früheren Wirtschaftsminister Domingo Cavallo betriebene Politik der Privatisierung von Staatsbetrieben trug mit dazu bei, daß die Arbeitslosenquote auf 16,3 Prozent hochschnellte. Rund drei Millionen Menschen sind nach offiziellen Angaben ohne Arbeit. Hinzu kommen Hunderttausende, die sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen müssen. Als Cavallo auch in der eigenen neoperonistischen Partei zunehmend auf Widerstand stieß, wurde er im Juli von Präsident Carlos Menem entlassen. Die Börsenkurse knickten kurz ein, erholten sich aber rasch wieder, als Cavallos Nachfolger Roque Fernandez sich als ebenso eiserner Sparer erwies.

Die von Cavallo durchgesetzte Währungsreform, wonach Peso und US-Dollar im Verhältnis 1:1 getauscht werden, ist laut Fernandez nicht in Gefahr. Cavallos Konvertibilitätsplan galt in Wirtschaftskreisen als Erfolgsmodell zur Eindämmung der Inflation. Zwar leiden die Exporte unter der überbewerteten Währung, aber tatsächlich konnte die Teuerungsrate, die zeitweise 5.000 Prozent erreicht hatte, auf die Drei-Prozent- Marke gedrückt werden. Jetzt führt die Reduzierung des Haushaltsdefizits die Prioritätenliste. Aber das mit dem Internationalen Währungsfonds für 1996 vereinbarte Limit von 2,6 Milliarden Peso für das Haushaltsdefizit wurde bereits im ersten Halbjahr erreicht, und selbst die günstigsten Prognosen gehen bis zum Jahresende von einem Fehlbetrag von mehr als sechs Milliarden Peso aus.

Das neue Sparprogramm, mit dem die argentinische Regierung in Abstimmung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) das Staatsdefizit in den Griff bekommen will, trifft noch einmal die Arbeiterschaft und das Kleinbürgertum. Und da gärt es.

So wurde die Regierung einigermaßen nervös, als ein breites Bündnis für gestern abend Massendemonstrationen und eine fünfminütige Stromabschaltung ankündigte. Da ließ das Energieministerium plötzlich verlauten, die Stabilität des Stromnetzes sei gefährdet, und der Gouverneur der Provinz Buenos Aires und Anwärter auf die Menem-Nachfolge Eduardo Duhalde meinte, Proteste gegen die Regierungspolitik dürften nicht sein, denn „das Volk hat das gewählt“.

Die Führung der großen peronistischen Gewerkschaften im Dachverband CGT ist gespalten. Während der CGT-Generalsekretär eine Teilnahme an den Protesten wegen der „politischen Motive“ ausschließt, also auf Loyalität zur Regierung pocht, fordern andere Funktionäre, den Mitgliedern die Teilnahme freizustellen. Als Ausweg hat die CGT jetzt ihrerseits für den 26. September zu einem Generalstreik aufgerufen – ohne die Oppositionsparteien. pkt

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