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Kolonialistische Herablassung

■ betr.: „Geistiger Öko-Giftmüll“ von Michael Miersch, taz vom 30. 10. 96

In dem Artikel spuckt der Autor Gift und Galle. Miersch berichtet unter anderem von einem Schulfilm über Tropenholz aus Malaysia, der unter der Vorlage eines WDR-Films entstand. Dazu behauptet Miersch, der Schulfilm wurde „übrigens von einem Fachberater der Öko-Gruppe ,Pro Regenwald‘ begleitet“. Als der angesprochene Fachberater kann ich versichern, daß ein Mandat dieser Gruppe in keiner Weise gegeben ist, von vertraglichen Vereinbarungen mit Pro Regenwald über einen Schulfilm ganz zu schweigen. Vielmehr versucht diese Öko- Gruppe gegen diesen Schulfilm zu agieren, was einer Beratung wohl ziemlich widerspricht.

Auch die Diskreditierung des für den Schulfilm verantwortlichen Filminstituts FWU ist völlig überflüssig und falsch. Weder Herr Miersch noch andere Autoren, die sich über die Wertigkeit des Film oder des Filminstituts streiten, haben den Film überhaupt gesehen. Die Artikel erscheinen unter dem Motto „Hauptsache Skandal – Hauptsache zynisch“ und lassen sich nur mit Shakespeares: „Wie ekel, schal, flach und unersprießlich“ kommentieren. Ullrich Klins, München

Mierschs Einwand, daß die Ureinwohner des Regenwaldes von Borneo als pittoreske „Häuptlinge im vollen Federschmuck“ auf allen Podien der Regenwalddiskussion herumgereicht wurden und doch nur eine „nicht repräsentative Minderheit“ darstellen, ist ausgesprochen borniert. Umweltverbände verfolgen bestimmte Interessen, wie sie dies tun, bestimmen die demokratischen Spielregeln. Die Behauptung Menschenrechte und Umweltschutz stünden in enger Verbindung miteinander, ist jedenfalls nicht ernsthaft zu leugnen. Ein Bündnis von Ureinwohnern und Umweltschützern bei parallelen Interessen ist eine logische Konsequenz der politischen Verhältnisse. Niemand käme auf die Idee, Unternehmern eine Südostasienreise mit der Entourage eines Kanzlers zu verwehren mit der Begründung, sie repräsentierten nicht die Bundesregierung oder die Bundesrepublik als solche. Jedem steht es frei, Behauptungen der Umweltschützer zu überprüfen. [...]

Niemandem kann der Zugang zur Öffentlichkeit begrenzt oder verwehrt werden, auch beispielsweise Herrn Miersch nicht, nur weil er eine Minderheit der sogenannten Ökooptimisten repräsentiert. Minderheit ist ein relativer Begriff; es mag sein, daß die Ureinwohner Borneos, ähnlich wie die Besitzer von Abforstungskonzernen, im Staat Malaysia mit 20 Millionen Einwohnern eine Minderheit darstellen; sie sind es aber möglicherweise nicht in den Überresten des malaysischen Urwalds. Weltweit existieren etwa 500 Millionen Menschen, die Ureinwohnervölkern angehören, sie sind nirgendwo repräsentiert, weil sie nicht in das europäische Nationalstaatenkonzept des 19. Jahrhundert passen. Nahezu in allen Staaten der Erde sind diese 500 Millionen Menschen „Minderheiten“, denen sogar das Recht auf Existenz als „Völker“ im international-rechtlichen Sinn bisher abgesprochen wird. Statt dessen sprechen die Nationalstaaten lieber von Volksgruppen, ethnischen Gruppen oder Minderheiten und verweigern ihnen damit zugleich das Recht auf politische Repräsentation.

Als Mitarbeiter in Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sind mir die scheinheiligen Formeln in bezug auf Ureinwohner und deren Rechte nur allzu bekannt. Sitzen die Ureinwohner im Lendenschurz auf der Bühne, heißt es, sie seien nicht repräsentativ, weil sie nur eine kleine Gruppe darstellen. Sitzen dieselben Personen im Nadelstreifenanzug in Begleitung eines Anwalts oder Pressesprechers auf dem Podium, heißt es, sie seien nicht traditionell und hätten der westlichen industrialisierten Welt mit der Anpassung an westliche Umgangsformen eine Blankovollmacht erteilt, die den wildgewordenen Rohstoffkonzernen und ihren trojanischen Pferden erlaubt, nach Gutdünken zu verfahren. Hinter Mierschs kolonialistischer Herablassung scheint sich doch nur wieder die „White Man's Burden“-Ideologie der letzten Jahrhundertwende zu verbergen.

Herr Miersch schwingt sich hier zum Herrn einer Debatte auf, in der die Konservativen, um den Reiter und nicht das Roß zu nennen, die Stammtischhoheit noch nie besaßen. Fast ein wenig peinlich wirkt daher sein Versuch, mit der uraltlinken Totschlagstrategie vom totalitären Mief ökologischer Weltbilder (es gibt möglicherweise mehrere) und dem merkwürdigen Vokabular aus dem Dunstkreis provinzieller JU-Seminare die These von der malaysischen Versöhnung von Ökologie und Ökonomie zu verteidigen. Dionys Zink, Dingolfing

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