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Poussières D'Amour

Der Prolog von Poussières D'Amour – Abfallprodukte der Liebe dauert etwa zehn Minuten. Das ist die Zeit, in der sich einige Fragen von selbst zu beantworten beginnen: Gibt es hier eine Geschichte, wovon handelt der Film? Natürlich sind das die Facetten des großen „Worum geht es?“, der Standardfrage, die besser „Was passiert da?“ heißen sollte und damit zu mehr liebevollem Interesse führen könnte.

Poussières D'Amour – Abfallprodukte der Liebe stellt seine Funktionsweise bereits ganz zu Anfang aus. Die Beleuchter, selbst die Kamerafrau Elfi Mikesch werden nicht versteckt, und auch das „Worum geht es?“ beantwortet Werner Schroeter (Palermo oder Wolfsburg, Der Rosenkönig, Malina) auffällig ausdrücklich im Prolog seines Films. „Warum Sänger Ausdruck finden in der Stimme“, erklärt der Regisseur in seinem ersten Gespräch mit einer Sängerin, „darum geht der Film.“ Damit ist diese leidige Frage schon im Vorfeld abgehakt. Nichts, jedenfalls nicht die Angst vor einer ausstehenden Sinnsuche, sollte nun noch dem Blick des „Was passiert da?“ im Wege stehen. Und in Richtung dieses Blickes zitiert Schroeter Roland Barthes: „Was singt mir, der ich in meinem Körper das Lied höre?“

Was folgt, ist Austausch, sind Dialoge. Zwischen Werner Schroeter, Elfi Mikesch und zahlreichen Musikern, Sängerinnen und Sängern entspinnt sich dieser Austausch als Wechselspiel zwischen gesprochenem Wort, Musik, Gesang und Filmbildern. Davon zu sprechen, Schroeter interviewe die Sängerinnen und Sänger, greift jedoch viel zu kurz. Gleichwohl stellt er Fragen, stellen Bilder und Töne Fragen, und ebenso werden Antworten gegeben, gesungen und gezeigt.

In den verschiedensten Sprachen kreist der Film um das Singen (Wie singt du? Wo waren sie, wenn sie sangen?), um das Verhältnis des einzelnen zum Tod und um Liebesbeziehungen. Schroeter hat die Sängerinnen und Sänger samt Ehemännern und -frauen, Partnern, Freundinnen und Kindern in die Abtei von Royaumiont eingeladen. So wird nach und nach ein Netz von Beziehungen sichtbar. Nicht nur das vom Künstler zur Musik, vom Individuum zum Tod, sondern gleichsam jedes innerhalb von Familien, von hetero- und homosexuellen Paaren.

In diesem Zusammenspiel unterschiedlichster Ausdrucksformen stellt Werner Schroeters manchmal recht schwulstig geratene Bildornamentik nur ein Element dar, das in der Bewegung des Films seinen Platz hat. Es wird vielfältig ergänzt und gebrochen durch die faszinierende Ausstrahlung zweier Legenden des klassischen Gesangs: Anita Cerquetti und Martha Mödl. Dabei eröffnet Poussières D'Amour über Gespräche der beiden mit Isabelle Huppert und Carole Bouquet einen Zugang zu diesen unterschiedlichen Persönlichkeiten, ohne dabei die eine gegen die andere Diva auszuspielen.

Längst haben Cerquetti und die 83jährige Mödl ihre einstmals so großen Stimmen verloren. Sie aber gerade heute, „stimmlos“, singen zu hören und zu sehen, gehört zu den wunderbaren Momenten des Films.

Jan Distelmeyer heute, Metropolis, 16.30 Uhr

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