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Leasen und lesen lassen

■ Geschrumpft, aber glücklich: Bücherhallen-Inis Groß Borstel und Mittelweg dürfen der Stadt Dienstleistungen abkaufen

Der Verwaltungsrat der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen (HÖB) hat in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, daß die Fördervereine der Bücherhallen Mittelweg und Groß Borstel ihre Bibliotheken „leasen“ können. „Das Modell“, pressemitteilte HÖB-Direktorin Hella Schwemer-Martienßen, „soll kostenneutral für HÖB sein.“

„Was das genau bedeutet, wissen wir selbst noch nicht“, erklärte die Leiterin der Bücherhalle Groß Borstel, Kirsten Schmidt, gestern, „aber wir sind sehr froh, daß der kreative und konstruktive Protest im Stadtteil gehört wurde.“ Jedenfalls müsse sich die Bücherhallen-Ini jetzt auf die Suche nach Sponsoren begeben – „auch wenn wir den Staat eigentlich nicht aus seiner Verantwortung entlassen wollen“.

Der Pressesprecher der Kulturbehörde, Ingo Mix, erläutert: „Die Fördervereine sollen die laufenden Kosten Stück für Stück übernehmen, während die HÖB ihnen den Bestand an Büchern und Computern zur Verfügung stellen.“

Fünf Bücherhallen hatte der HÖB-Verwaltungsrat bei seiner Sitzung im September aus dem Kahlschlag-„Konzept“ herausgenommen: Veddel, Berne, Ob de Bünte (Harburg), Mittelweg und Groß Borstel. Hier sollte geprüft werden, ob sich durch Zusammenarbeit mit Schulen oder durch Verkleinerungen noch etwas retten ließe. Für Veddel, Berne und Harburg senkte der Verwaltungsrat gestern den Daumen; dort wird es künftig allenfalls nebenamtlich betreute „Ausgabestellen“ für einen Mini-Buchbestand geben. Natürlich bedauert die HÖB-Leitung die Maßnahmen sehr, aber: „Die politisch verordneten Sparauflagen von insgesamt rund fünf Millionen Mark pro Jahr sind anders nicht zu erfüllen.“

Während in Eppendorf die erste der sieben Bücherhallen, die bis März 1997 auf der Abschußliste stehen, geschlossen und von BürgerInnen und Schulkindern zu Grabe getragen wurde, hatten sich die Groß Borsteler und die Berner Initiativen zur Rettung ihrer Bücherhallen vor der Zentralbibliothek in den Großen Bleichen versammelt. Dort sangen sie der HÖB-Chefin ihren Protest gegen die Schließungen vor: „Zehn kleine Bücherhalln, die taten sich sehr freuen / Die eine wurde zugemacht, da warens nur noch neun“ – und so weiter.

Schwemer-Martienßen hatte noch vor der Sitzung klargestellt: „Ich sehe nicht, an welcher Stelle ich Abstriche vom Sparkonzept machen soll.“ Ihrer Meinung nach seien die Schließungen für alle Betroffenen in allen Stadtteilen gleich schlimm, deshalb könne sie zum Beispiel Groß Borstel keinen Vorzug gewähren. Daß es dort und am Mittelweg nun doch privatfinanzierte Schrumpfbibliotheken geben könnte, ist vermutlich auf die Vorschläge der Fördervereine zurückzuführen, die bei Kultursenatorin Christina Weiss, die ebenfalls im HÖB-Verwaltungsrat sitzt, Anklang gefunden haben. So haben die Groß Borsteler beim Bezirk Nord eine Mietreduzierung bewirkt und sich mit dem Bücherhallen-Personal auf Stundenreduzierungen geeinigt.

Ulrike Winkelmann

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