: Money, money, money
Zeig mir dein Geld, Numismatiker! Im Neuköllner Estrel Convention Center fand die World Money Fair statt. Ein Rundgang zwischen Metallpressen, Münzsammlern und sogar chinesischem Höllengeld
von ANDREAS BECKER
Schrottberge vorm Estrel Hotel in Neukölln, am liebsten hätte man sie gleich auf verwertbares Kupfer, Nickel, Silber oder gar Gold durchsucht. Denn direkt gegenüber fand am Wochenende die World Money Fair statt. Nach eigener Einschätzung ist die Messe für Geldsammler eine „einzigartige Weltschau des Geldes“. Herr A. M. Beck, Präsident der Welt-Geld-Messe, meint in seinem Grußwort gar, in Berlin sei „die numismatische Elite vertreten, die den faszinierenden Kreislauf des Geldes präsentiert und lebendige Münzgeschichte schreibt“. Lustigerweise ist die Geldshow vor zwei Jahren aus dem reichen Basel ins arme (aber sexy!) Berlin umgezogen. Da wundert man sich kaum noch, dass das „Ehrengastland“ der Messe in diesem Jahr Kasachstan ist, weil es dort seit 15 Jahren eine „neue Währung“ gibt.
So eine Messe kann einem sowieso zu denken geben. Die Idee, Münzen oder Scheine nicht wie der normale Konsument auszugeben oder gegen Zinsen der Bank zu leihen, hat doch etwas zutiefst Revolutionäres. Dadurch entzieht man das Geld ja dem elenden Kreislauf von Ausbeutung und Gewinnmaximierung. Wie hätte die Deutsche Bank 30 Prozent Kapitalrendite und einen Gewinn von 6 Milliarden erzielen sollen, wenn alle Sparer ihre Knete in Münzsammlungen angelegt hätten? Gleichzeitig zeigt der Sammler uns dummen 3-Prozent-Sparern und Pfennigfuchsern in aller Härte unsre Fixierung auf den Fetisch Geld. Er gibt den erworbenen bunten Geldschein aus Sri Lanka nie wieder her. Er findet nicht Reichtum angenehm, sondern das Bild des Geldes „schön“.
Als Geldlaie wird man bei der World Money Fair sofort von einer netten Pressehostess an die Hand genommen und zum offiziellen Stand der Staatlichen Münze Berlin geführt. Hier werden Münzen live geprägt – leider sind sie wertlos, da nicht in realer Währung. Eine große, alte mechanische Metallpresse ist aufgebaut, und ein langjähriger Mitarbeiter der Euro- und sonst wie Münzprägefabrik in Tegel (gleich beim Knast um die Ecke) rät einem, die Jacke auszuziehen – nun ist körperlicher Einsatz gefragt. Dreimal muss ich die Presse durch einen Hebel auf den Rohling donnern lassen, dann wird mir eine große Silbermünze überreicht. Merkwürdigerweise mit der Prägung „Republic Of Kazakhstan“. Eine Art Ritter vor aufgehender Sonne ist zu erkennen, könnte leider auch ein Henker sein.
So richtig hektisch wie bei der Grünen Woche geht es im Estrel nicht zu. Im Seitenflügel stehen die nicht reich aussehenden Basishändler, bei denen man sein altes Zahngold wiegen lassen und verkaufen kann. Dann gibt es die offiziös daherkommenden Stände der Sondermünzpräger. Das seien große Geschäftemacher, erzählt der Sammler K., den ich frage, wie er zum Münzensammeln kam. K. arbeitet im Verteidigungsministerium. Sein Vater hatte ihm Ende der Sechziger eine Münze aus der Kaiserzeit vermacht. Inzwischen ist er auf Städteansichten spezialisiert und hat mittlerweile rund 700 Münzen in der Sammlung, die er einmal dem Deutschen Historischen Museum vererben möchte. Er erzählt noch eine tolle Anekdote zum US-Golddollar. Der 20-Dollar-Doppeladler wurde 1933 vom Präsidenten nach der Prägung komplett wieder eingeschmolzen, noch vor der Ausgabe, weil der Staat plötzlich Goldmangel verspürte. Ein Mitarbeiter der Prägestätte stahl zehn Münzen, wurde mit neun erwischt und kam in den Knast. Die eine Münze landete bei König Faruk von Ägypten und wurde vor einiger Zeit versteigert. Für über sieben Millionen Dollar.
Am Stand von Gorny&Mosch, einer Münchner Münzhandlung, darf ich historische Münzen anfassen. Ein dickes silbernes Exemplar, fast dreidimensional mit einem Vogelkopf, ist 2.500 Jahre alt. Der Numismatiker würde jetzt genau Alter und Material untersuchen. Irgendwo in Westdeutschland kann man sogar Numismatik studieren. Hier am Stand sieht man die Sache prosaischer. Was konnte man damit kaufen? Ein Pferd vielleicht oder ’ne Kuh. Dann gibt man mir sogar eine 7.500 Euro teure Münze in die Hand. Weglaufen solle ich möglichst nicht und die Münze nur an den Rändern anfassen wie eine Schallplatte, sagt man mir. Sonst werde die Prägung beschädigt. Der hohe Wert der Münze resultiert aus ihrer Unbenutztheit, die feinen Konturen im Silber sind gut zu erkennen. Ein Euro wirkt dagegen wie Billigschrottgeld.
In Euphorie ist die Sammlerszene immer noch aufgrund der Euro-Einführung. An vielen Ständen werden Pappschachteln mit Münzen aus kleinen Euroländern angeboten, zum Vielfachen des Nennwerts. Weil man in Finnland keine 1- und 2-Cent-Münzen verwendet, werden sie hier für das Fünfzigfache angeboten. Das 2-Cent-Stück von 2006, prägefrisch für einen Euro.
Mein Fünfmarkstück mit der Aufschrift „XX Jahre DDR“ von 1969 mit Hammer und Sichel ist dagegen weniger wert als damals beim Schwarztausch auf dem Alex. 20 Cent bietet ein Händler dafür. DDR-Mark und Westmark sind out, alle wollen den Euro. Ich kaufe dann noch eine bunten Schein chinesisches „Höllengeld“, das speziell für Leichenverbrennungen gedruckt wird. Davon gibt es nie genug, deshalb kaufen laut Händler die Chinesen überall in der Welt alte Banknoten auf, um sie den Toten mitzugeben.