: Dringende Bedürfnisse
■ Berlin auf dem Weg zur Hauptstadt: Wirtschaftsamt verweigert Cafe "Einstein" Unter den Linden Ausschankgenehmigung auf Mittelstreifen. Gang zum Klo über Ampel unzumutbar
Die Ampel steht auf Rot. Ungeduldig tritt ein Mann von einem Fuß auf den anderen. Die rechte Hand vor dem Schritt, nimmt er das stehende Ampelmännchen fest ins Visier. Er muß die drei Biere parken, mit denen er seinen Durst gestillt hat. Endlich springt die Ampel auf Grün, er eilt über die Straße und erreicht die Toilette – ohne sich in die Hosen gemacht zu haben. Erleichtert verläßt er das Café, überquert bei der nächsten Grünphase wieder die Straße, setzt sich an seinen Tisch und winkt den Kellner für die nächste Bestellung heran.
Solche Szenen sollten sich spätestens seit Sommerbeginn an der Kreuzung Unter den Linden Ecke Glinkastraße vor dem Café „Einstein“ abspielen. Betreiber Wilhelm Andraschko hatte schon vor Monaten die Idee, Stühle und Tische für 60 Gäste und einen Pavillon samt Zapfhahn und Kuchenbüfett auf dem lindenbewachsenen Mittelstreifen aufzustellen. Die Sicherheit auf dem Weg zum Klo im Café sollten die rot-grünen Verkehrsmännchen garantieren.
Nachdem das Tiefbauamt Mitte nach monatelangem Ringen die Genehmigung für die Ausgestaltung des Mittelstreifens und die Aufstellung eines Pavillons erteilt hatte, stellt sich nun eine andere Behörde quer. Das Wirtschaftsamt verweigert die Ausschankgenehmigung. Begründung: Das Überqueren einer mehrspurigen Straße, womöglich im leicht alkoholisierten Zustand, sei zu gefährlich, erklärte gestern die Pressesprecherin vom Bezirksamt Mitte, Karin Rietz. „Das WC muß leicht erreichbar sein.“
Da kann Oberkellner Peter Sadewasser nur den Kopf schütteln. „Wissen Sie“, fragt er, „wie viele Touristen zwei Straßen überqueren, nur um bei uns auf die Toilette zu gehen?“ Der Oberkellner kann sich gut vorstellen, daß das Beispiel bei anderen Cafés Unter den Linden Schule machen könnte. Ganz zu schweigen von zusätzlichen Einnahmen für die leere Bezirkskasse und der Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen.
Pressesprecherin Rietz betonte gestern die „Kompromißbereitschaft“ des Wirtschaftsamtes. „Noch ist nichts endgültig entschieden“, sagte sie. Wenn ein „mobiler Klocontainer“ aufgestellt würde, um „stationär zu pullern“, dürfte einer Ausschankgenehmigung nichts im Wege stehen. Tut es aber doch. Weil der Boulevard denkmalgeschützt ist, müßte der Container auch den Anforderungen des Denkmalschutzes entsprechen. Und da kommt wohl nur ein Café Achteck in Frage. Barbara Bollwahn
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