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„Vorsicht, ich bin Torwart“

Heute abend im Olympiastadion hat Hertha-Torwart Kiraly nur eines im Sinn: den Spielern von Bundesliga-Spitzenreiter Kaiserslautern kein Tor zu gestatten  ■ Von Jürgen Schulz

Heute abend, zur besten Fernsehzeit, huldigt ein prall gefülltes Olympiastadion wieder dem beliebtesten Ungarn der Stadt: Gabor Kiraly, Torhüter von Hertha BSC, soll dafür sorgen, daß Spitzenreiter Kaiserslautern beim preußischen Elchtest umfällt und die Punkte an der Spree läßt. Dann wäre – nach zuletzt fünf Siegen und einem Unentschieden in Serie – die weihnachtliche Ruhe in der Hauptstadt garantiert, ungeachtet aller Irrungen und Wirrungen der letzten Wochen.

Ausgerechnet Kiraly, der lediglich als Reservist aus dem Pußta- Ort Szombahatly geholt wurde, gilt als der Senkrechtstarter des Bundesliga-Neulings. Schon die Art, wildfremde Menschen zu begrüßen, unterscheidet den 1,91 Meter großen Hühnen wohltuend von seinen monoton-maulfaulen Kollegen. „Vorsicht, ich bin Torwart“, warnt der Magyar. Weil Torleute (und Linksaußen) gemäß einer alten Kicker-Weisheit als verrückte Sonderlinge gelten, nimmt man es hin.

Auch Hertha-Coach Jürgen Röber hat sich inzwischen mit der laxen Art, wie Gabor Flanken (mit einer Hand!) oder Schüsse (per Fuß!) stoppt, abgefunden. „Wenn ich locker bin, weiß meine Mannschaft, daß ich gut drauf bin“, beruhigt ihn Kiraly. Die Güteklasse ungarischer Toreverhinderer hat sich offensichtlich bis nach Kaiserslautern herumgesprochen. Der Trainer der „Roten Teufel“, Otto Rehhagel, der zur Gründerzeit der Bundesliga vor über 30 Jahren selbst das Hertha-Trikot trug und regelmäßig in Berliner Cafés anzutreffen ist, kaufte in einem Blitztransfer den Budapester Lajos Szücz, den er bereits im Olympiastadion aufbieten will. Immerhin besitzen die Mannen vom Betzenberg die einmalige Chance, als Aufsteiger sofort die deutsche Meisterschaft zu erringen, nachdem Kaiserslautern in der Vorwoche den haushohen Favoriten Bayern München 2:0 bezwang.

„Lajos ist die Nummer drei in Ungarn“, blickt Gabor zu dem zwei Zentimeter größeren Szücz auf. Da er sich selbst nur auf Position vier der ungarischen Hitparade einstuft, geht es für Kiraly im Duell der Ungarn darum, wer im Heimatland höhere Ansprüche im Aufgebot der Nationalmannschaft stellen darf.

Mit neuen Spielern, die dem alteingesessenen Personal Beine machen würden, kann Hertha-Manager Dieter Hoeneß immer noch nicht aufwarten. Für Verstärkungen sind vom Aufsichtsrat drei Millionen Mark bewilligt worden, nachdem zahlreiche Profis wie Roy, Tchami, Mandreko, Herzog, Kruse oder van Burik durch Verletzungen aus dem Tritt geraten sind.

„Wir sondieren den Markt, stehen aber nicht unter Zugzwang, denn neue Leute könnten auch für Unruhe in der Mannschaft sorgen“, lautet die Standarderklärung des geizigen Schwaben Hoeneß. Der unter der Woche getestete Österreicher Amir Bradaric (Vorwärts Steyr) entsprach nicht Röbers Vorstellungen, und der zweite Wunschkandidat, Adam Ledwo aus Kattowitz, wurde in Berlin noch gar nicht gesichtet.

So steht gegen die „Roten Teufel“ aus der Pfalz wahrscheinlich jene Hertha-Elf auf dem Rasen des Olympiastadions, die den Sprung aus der zweiten Liga in die Eliteklasse schaffte. Mit Ausnahme von Gabor Kiraly, dem verrückten Torwart.

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