: Thesen an der Hintertür
■ Filmgeschichte aus jüdischem Blickwinkel: „Hollywoodism“ von Simcha Jacobovici
Es gibt Filme, bei denen man sich fragt, ob die Autoren ihre Thesen nicht lieber an das Tor der Schloßkirche zu Wittenberg hätten nageln sollen. Oder – wie im Falle des kanadischen Regisseurs Simcha Jacobovici – vielleicht doch besser an die Hintertür einer Kinemathek, auf daß auch die Filmhistoriker dieser Welt einmal etwas zu lachen haben. Jacobovicis Dokumentarfilm „Hollywoodism“ befaßt sich mit Leben und Wirken der großen Studiomogule Hollywoods – und schreibt die amerikanische Filmgeschichte aus einem radikal jüdischen Blickwinkel komplett um.
Die Erfahrung von Unterdrückung und mehrfacher Vertreibung, so die These, habe dazu geführt, daß sich die Studiobosse – die von Louis B. Mayer Über Adolph Zukor bis zu Carl Laemmle alle aus jüdisch-europäischen Familien stammten – in Hollywood eine auf Harmonie ausgerichtete Gegenwelt entwarfen, die ironischerweise auch das Selbstverständnis der nichtjüdischen amerikanischen Gesellschaft bis zum heutigen Tage bestimme.
Unglücklicherweise steht Jacobovicis auf einem Buch des Autors Neal Gabler basierende Theorie jedoch von vornherein auf wackligem Gerüst, da der Film mit unverzeihlichen Pauschalisierungen arbeitet: etwa wenn dem Zuschauer suggeriert wird, es habe sich bei den Gründern Hollywoods ausschließlich um osteuropäische Juden gehandelt, die mit knapper Not den Metzeleien russischer Soldateska entkommen seien. Oder wenn der „Krieg“ eines Kartells unter Führung des Erfinders Edison gegen die (damals noch) unabhängigen jüdischen Kinounternehmer um das Monopol der Filmproduktion ausschließlich als antisemitischer Akt geschildert wird. Das Geldverdienen – eigentlicher Sinn und Zweck der gesamten Filmindustrie – spielt in Jacobovicis Überlegungen dagegen nie eine Rolle.
Seiner Logik nach hat Universal-Gründer Carl Laemmle einen Film wie „Frankenstein“ – die Geschichte eines Verfolgten, der sich nichts sehnlicher wünscht, als von der Gesellschaft akzeptiert zu werden – aus seiner Biographie heraus geradezu zwanghaft produzieren müssen. Eine Interpretation, die den aus dem schwäbischen Ort Laupheim stammenden Herrn Laemmle, der die Reiterei des Zaren bestenfalls aus dem Kino kannte, der es in Amerika in der Textilbranche zu Wohlstand und Ansehen gebracht hatte und der ganz energisch in erfolgreichen Gerichtsprozessen gegen das Edison- Kartell vorgegangen war, vermutlich erstaunt hätte. Lars Penning
Panorama: heute, 13.30 Uhr, 14.2., 11 Uhr, jeweils im Filmpalast
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