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Kokettieren mit der Zeitenwende

■ Peggy Lukacs inszeniert ihre „Apokalypse“ in den Sophiensälen

Endzeitschauer. Desorientierung. Babylonisches Stimmengewirr. Zusammenbruch der Codes. Viele Erzähler hat die Apokalypse in der Inszenierung von Peggy Lukacs und dem Komponisten Peter Kaizar, die jetzt in den Sophiensälen uraufgeführt wurde.

„Und ich wandt mich, um zu sehen, nach der Stimme, die mit mir redet.“ In der Offenbarung des Johannes ist die Sprache beinahe körperlos. Aus einem gewaltigen Off kommen die Weissagungen über die apokalyptischen Reiter, den Sturz der Sterne und das Schrumpfen der Himmel, über die sieben Plagen und sieben Schalen des Zorns, über den Fall Babylons und das neue Jerusalem.

Anders als in den antiken Mythologien haben die Menschen als Handelnde keinen Platz in der Vision vom Weltende; es geht nicht um Geschichte, Gefühle, Macht oder Vernunft. Propheten argumentieren nicht. Ihren Worten läßt sich nichts entgegensetzen. Das macht den Text für unsere Kultur der Ratio so fremd, mehr noch als die verschlüsselten Bilder.

Doch die Macht von Beschwörungen, die den Hörer mitfortreißen könnte, weg von seinem eigenen Denken und Sein, entfaltet sich, dem akustischen Aufwand zum Trotz, selten an diesem Abend. Erzählt wird im Ton des unbeteiligten Sehers, dann als Live-Bericht vom Reporter des Untergangs, als quälende Erinnerung, Klage, Geständnis, dann wieder distanziert, rhapsodisch. Fremde Sprachen, besoffenes Gelalle, wütende Abrechnung und Gestammel mischen sich mit Percussion, Geige, Saxophon und elektronischen Klängen, mit den Arien der Mezzosopranistin Jana Frank oder den Tänzen von Zula Leme. Visionen vom Untergang werden vom Tonband gespielt und gezerrt, bis die Sprache nur noch jault.

Die Musiker streifen quer durch die Zeiten und Kulturen, vermessen die Welt nach ihren Klängen. Dieses Stilgemisch ist das Potential der Gruppe Peggy Lukacs & Company und macht doch zugleich die Unzulänglichkeit der Inszenierung aus. Denn alles, was nach Avantgarde klingt und Experiment aussieht, wurde noch irgendwo eingebaut; Konzentration aber entsteht so nicht. Der Text geht unter, die Bilder sind, kaum gehört, wieder vergessen. Engel, Teufel, Ungeheuer: wir werden ihnen nicht ausgesetzt. Die Apokalypse läßt einen kalt. Eigenen Ängsten und Träumen begegnet man nicht.

Am Ende fragt man sich: „Apokalypse, warum?“ Denn man erfährt nichts darüber, was die unterschiedlichen Interpreten an diesem alten Text gepackt hat. Außer Großem, irgendwie. Von wegen Ende der Geschichte, Jahrtausendwende usw. Aber dies Kokettieren mit der Zeitenwende bleibt unbefriedigend. Katrin Bettina Müller

Apokalypse, bis 22. März, Mi–So, 19.30 Uhr, in den Sophiensälen, Sophienstraße 18

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