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Gebrauch demokratischer Grundrechte

■ betr.: „Bausparer im Revoluzzer zug“, taz vom 28./1.3. 98

Meiner Meinung nach wird Ihre Berichterstattung nicht in allen Punkten dem Ereignis, über das es zu berichten galt, gerecht. Das zentrale Thema Ihres Berichts war die fragwürdige Glaubhaftigkeit modernen Sponsorings im vorliegenden Fall. Sicherlich ist ein Bezug zwischen den erwähnten Geldgebern (Deutsche Bahn/Badenia) und den Revolutionären von damals nur begrenzt, wenn nicht sogar überhaupt nicht herzustellen.

Letztlich ist aber auch der Sinn einer derart umfangreichen Erwähnung fraglich. So läßt der Artikel für mich, der ich als in Sachen Bildungspolitik demonstrierender Schüler vor Ort war, zumindest die Erwähnung eines anderen, womöglich prägnanteren Merkmals der Veranstaltung vermissen, nämlich die Beziehung zwischen der praktizierten Kultivierung der Revolutionswerte und den offensichtlichen Mißständen in der realen Bildungspolitik.

Während nun die Politik in geschichtlichen Traumwelten – über den Niederungen der Realpolitik – schwebte, machten Schüler von den demokratischen Grundrechten gebrauch, statt tatenlos die Fehlentscheidungen der selbsternannten Geschichtshüter hinzunehmen. Dieser Kontrast zwischen vollmundig propagiertem und ausgeübtem Demokratiebewußtsein, zwischen der Zuckerwatte-Darstellung und der durch die Demonstration vertretenen nüchternen Realität (ein anderes, nicht zitiertes Transparent lautete „Flucht aus der Realität(?)“), wäre mit Sicherheit eine deutlichere Erwähnung wert gewesen.

Statt dessen beschränkt sich Ihr Artikel darauf, die im Bericht – realistisch betrachtet – überbewertete Polizeigewalt zu verspotten – die wirklichen Inhalte der Protestaktion bleiben im Bericht hinter Antistaatsgewalt-Polemik („Spießbürgerwehr“) zurück, scheinen keinen Platz im Bericht gefunden zu haben.

In Wirklichkeit stellte aber in diesem Fall nicht die Polizei eine „reaktionäre Kraft“ dar – das Ziel des Protestes lag darin, die schwache und (besonders an diesem Tag, vor dem Hintergrund des inszenierten Gedenkens einer Bürgerrevolution) unglaubwürdige (Bildungs-)Politik der Landesregierung in Frage zu stellen. Folglich war der thematische Inhalt der Demonstration nicht, wie Ihr Artikel vermuten läßt, billige und inkonsequent verfolgte Provokation der Ordnungshüter (wie in den letzten 30 Jahren in der BRD oftmals der Fall), sondern der Hinweis auf einen allgemeinen Mißstand von öffentlichem Interesse.

Aufgabe der Presse bleibt schließlich nicht unsachliche Klischee-Kultivierung, sondern problembewußter Journalismus. [...] Michael Schuppli, Wiesbaden

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