: Hula-Tänzerinnen, Heineken-Trinkerinnen
■ Sind wir nicht alle ein bißchen fugu? Als erfrischend unglaubwürdige Femme fatale zappelt, stolpert und spricht sich die Diseuse Cora Frost im Tränenpalast durch ihr neues Programm
Da steht sie nun und kann nicht anders. Von der Presse gerne als „zierliche Diseuse“ oder „Frau mit der zerbrechlichen Gestalt“ betitelt, singt und redet Cora Frost im Tränenpalast einmal mehr von Liebe, Romantik und Hornhauthobeln. Zappelig stolpert sie in rotem Samt auf der zu großen Bühne herum und erzählt komische (Liebes-)Geschichten, während ihr schwergewichtiger Pianist Gert Thumser sich auf seine Claydermannschen Akkorde vorbereitet. Leider oft wirklich in bester „Ballade pour Adeline“-Manier, begleitet sie Thumser zusammen mit den Multiinstrumentalisten Hans Jehle und Jan Fritsch, Geige und Saxophon wechseln sich ab mit Schlagzeug und einem Keyboard, aus dem man, o Schreck, elektronischen Cembalo-Sound pressen kann. So gerät das „The Sweet“- Cover „Love Is Like Oxygene“ unvermittelt zu einer „Rondo Veneziano“-Version mit Klaus-Nomi- Gesang, zum Weghören. Zwischendurch Stand-ups und merkwürdige Geschichten: „Der Morgen fährt heran wie ein großer, böser Kran“ und „Ich sing' für dich, ich geh' für dich, ich trink' für dich, ich seh' für dich“, je später der Abend, desto schwerer auffindbar die Pointen.
Aber vielleicht möchte Frau Frost das so, vielleicht ist „Fugu“, so der Titel ihres Programms, eine Geschichte ohne Pointe. Gefühle können eben manchmal witzlos und giftig sein wie der japanische Kugelfisch, eher bitter als komisch. Wissen wir nur längst. Der Passauer Tuntentisch im fast ausverkauften Tränenpalast aber wohl nicht, er wiehert von Anfang an und steckt ein paar Unentschlossene an, so daß die Stimmung nach der Pause doch schon recht gelöst- amüsiert scheint. Man guckt verzaubert, das Klatschen wird lauter. Cora Frost jault am Anfang ihres zweiten Sets ein „Katzenlied“ („Hallo Pussy!“ schmunzelt der Pianist). Dann beginnt sie, jetzt im hautfarbenen Kleid (mutig, kann man da als blasse Frau nur sagen), mit dem Pianisten zu schwatzen: Er bekennt, zuweilen zu Hause Damenstrumpfhosen über seine „gepflegten Füße“ zu ziehen, sie revanchiert sich mit Hornhauthobel-Geständnissen. Und das war der komische Höhepunkt des Abends, den musikalischen hatten wir im ersten Teil schon mit der Ballade von „In Spanien bin ich Ballabimba“ und einem hawaiischen Hula-Tänzerinnen-und-Heineken-Trinkerinnen-Lied erreicht. Ab dann folgen nur noch kitschig- dramatische Chansons für Leute, die nicht genug davon kriegen können. Zugegebenermaßen ungewöhnlicher, eigenwilliger präsentiert als von „seriösen“ Interpretinnen, deren gesamtes Repertoire vom Klavierdeckel hingeräkelt ins Mikro gehaucht wird.
Cora Frost, die erfrischend unglaubwürdige Femme fatale, ist viel zu exaltiert-nervös – unkonzentriert, meint sie im Spiegel- Interview –, um nicht ein bißchen sympathisch zu wirken; schon fast aufgesetzt wirkt ihre Zappeligkeit, ihr fortwährendes Wiederholen der Sätze. Aber auch Kleinkunst kommt von künstlich, und so nehmen es ihr die Zuschauer nicht übel, sondern begrüßen die seltsame Art.
Früher war die gebürtige Münchnerin angeblich eine einsame Wölfin, eine sehnsüchtige Nachtschwärmerin, eine „knabenhafte Diva“, die auf die Frage, ob sie sich oft verliebt, chansontextreif antwortet: „selten so, daß ich von mir selbst befreit werde“. Vielleicht mögen so was die vielen (auffallend kleinen) Frauen, die nach dem Programm vor mir in der Toilettenschlange stehen. Aber für einen wirklich aufregenden oder zumindest anregenden Abend reicht das nicht. Das füllt eher eine Pause. Jenni Zylka
Cora Frost präsentiert ihr neues Programm am 14. und 15.3. sowie vom 18. bis 22.3. im Tränenpalast
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