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Schonung alter und neuer Nazis gegen das Völkerrecht

■ betr.: „Verbot rechtsextremer Par teien macht wenig Sinn“, „Beiräte für DVU-Verbot“, „Laßt viele Mimosen erblühen!“, taz vom 7. und 11. 5. 98

Es gibt sicherlich viele vernünftige Gründe gegen das Verbot faschistischer Parteien. Daß Eberhard Seidel-Pielens „xenophober Überdruck“ dazu gehört, muß bezweifelt werden.

Um Nationalsozialismus und Rassismus in Deutschland „sozialverträglich“, also parlamentarisch, zu kanalisieren, braucht es nun beileibe keine Fascho-Partei. Als hätten rechtsextreme Deutsche nicht längst schon viel zu viele parteipolitische Arme und volksvertretende Standbeine. Von Schröders Wahlkampfpolemiken bis zur Abschiebepraxis deutscher Innenministerien werden doch seit Jahren die „Republikaner“-Forderungen der 80er Jahre in Wort und Tat übererfüllt. Auch und gerade ohne strategische Faschisten-Verbote. Gegen Faschisten mit sozialpädagogischer Sorge aufzufahren, scheint mir nicht nur ein wenig zu lieb, sondern leugnet auch die politische Normalität in Deutschland. [...] Jens Petz Kastner, Münster

Immer wenn neonazistische Parteien spektakulär von sich reden machen, lebt die sonst schlummernde Diskussion über Verbot oder Nichtverbot dieser Parteien neu auf. Auch jetzt wieder nach dem DVU-Wahlerfolg in Sachsen- Anhalt. Wer sich auch immer gegen ein Verbot ausspricht – ob Minister Kanther (CDU), SPD- Kanzlerkandidat Schröder, verschiedene Verfassungsschutzpräsidenten oder sonstwer – sie alle mißachten einschlägiges deutsches und internationales Recht.

Bereits durch das Gesetz Nr. 5 der Militärregierung der Besatzungsmächte wurden die NSDAP und ihre Organisationen ebenso verboten wie „Handlungen zwecks Fortsetzung oder Erneuerung“ nazistischer Tätigkeit. Auch das Potsdamer Abkommen der Siegermächte vom 2. 8. 45 bestimmte: „Jeder nazistischen oder militaristischen Betätigung ist vorzubeugen.“ Im Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10. 10. 45 heißt es: Die Neubildung irgendeiner der NS-Organisationen, „sei es unter dem gleichen oder unter einem anderen Namen, ist verboten“. Diese Rechtsvorschriften sind laut Artikel 139 unseres Grundgesetzes nach wie vor gültig und müßten gegen die neonazistischen Parteien angewandt werden.

Auch die Vereinten Nationen haben wiederholt Verbot und Auflösung faschistischer Organisationen verlangt. Die UNO-Generalversammlung vom 26. 11. 68 erklärte zum Beispiel in der Resolution 2438 (XIII), „das Wiedererstarken nazistischer Organisationen in der BRD“ sei nicht nur eine innere Angelegenheit der BRD, sondern Anliegen aller Völker. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat am 1. 10. 80 in ihrer Entschließung 743 „betreffend die Notwendigkeit des Kampfes gegen das Wiedererscheinen faschistischer Propaganda und seiner rassistischen Anschauungen“ gefordert, daß „diese Gesetzgebung rigoros angewandt wird“. Das internationale Komitee zur Beendigung der Rassendiskriminierung (CERD) kritisierte die BRD, weil sie sich weigert, das breite Spektrum der neofaschistischen Vereinigungen zu verbieten. Die internationale Verurteilung des Faschismus, seiner Neuorganisation und seiner Propaganda ist so zu einer „allgemeinen Regel des Völkerrechts“ geworden, die nach Artikel 25 des Grundgesetzes „Bestandteil des Bundesrechts ist“ und den Gesetzen vorgeht. Aber um das Völkerrecht hat man sich ja in der BRD, wenn es um die Schonung alter und neuer Nazis ging und geht, noch nie viel geschert. [...] K. Poweleit, Oberammergau

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