: Handpuppen in Tweedanzügen
Ist Jeff Koons nur etwas für Leute mit schlechtem Geschmack? Sind Mike Kelleys Basteleien feministisch? Peter Kogler zeigt im Künstlerhaus Bethanien eine Video-Installation mit Porträts von 40 KünstlerInnen ■ Von Harald Fricke
Es passierte während seiner Collegezeit auf einem Football- Feld. Als der kalifornische Künstler Chris Burden anfang der siebziger Jahre irgendwann auf dem Stadionrasen stand und über ein paar hundert Quadratmeter Grünfläche schaute, wurde ihm eines klar – so muß Bildhauerei sein. „Sculpture is action“, erklärt der mittlerweile 46jährige Burden und meint damit tatsächlich, daß ein Spind im Umkleideraum so lange ein Kunstwerk ist, wie er als Künstler sich dort drinnen einschließen läßt. Danach ist der Schrank wieder eine bedeutungslose Box aus Blech. Während Burden solche Dinge sagt, rollt er entschieden mit den Augen, und der orange eingefärbte Hintergrund leuchtet stechend wie die Sonne über L.A.
Das Porträt, das der österreichische Medienkünstler Peter Kogler von Burden auf Video angefertigt hat, ist exemplarisch für die Ausstellung im Studio I des Künstlerhaus Bethanien. „KünstlerInnen“ soll einen Diskurs aufmachen über zeitgenössische Kunst und zugleich selbst als überlegt inszenierte Raumarbeit funktionieren. Dafür hat man sich mit Kogler einen Installationsprofi ausgewählt, der schon 1995 den Österreich-Pavillon für die Biennale in Venedig gestaltet hatte und auf der letzten documenta die Haupthalle mit einer komplexen Röhrentapete verzieren durfte.
Die von Kogler zusammengestellten vierzig Videoaufzeichnungen haben Modellcharakter. Seit 1992 arbeitet er für das von Stella Rollig kuratierte „museum in progress“ an einem Interview-Archiv, das zentrale Künstlerpositionen der letzten zwanzig Jahre mit einer minimalistischen Bild-Ästhetik versieht. Lange Gespräche vor monochromen Wänden, nur Tony Oursler hat sich ein psychedelisches Graffiti-Gewirr als Hintergrund ausgesucht. Man unterhält sich über den jeweiligen Zugang zur Kunst, biographische Anekdoten und den state of the art in den neunziger Jahren. Mike Kelley erklärt noch einmal, warum er mit seinen selbstgebastelten Orgon- Objekten schnell in der Frauenecke landete; Jeff Koons beteuert, daß seine Plastiken den Betrachter erhöhen sollen und gar nicht den schlechten Geschmack des Mainstream persiflieren; und Jenny Holzer bekennt sich lächelnd zu ihrer Vorliebe für die Fotos von Cindy Sherman. Manchmal wird es auch politisch, dann fordern Gilbert & George weniger sexuelle Einschränkungen und Rassismus. Daß die beiden Briten dabei stocksteif wie Handpuppen in ihren kastanienbraunen Tweedanzügen ausharren, gehört zu ihrem Spiel mit der Kamera.
Überhaupt sind die Interviews und Gespräche keineswegs museumspädagogisch belehrend angelegt. Andrea Fraser, die sich in ihren Kontext-Arbeiten als fiktive Museumsführerin gerade mit solchen Phänomenen der Aneignung beschäftigt, wird im Video ziemlich nervös, weil sie „viel zu trocken“ redet, obwohl es „doch fürs Fernsehen ist“. Zum Glück kann man sich ein paar Meter weiter anhören, wie die Wahlamerikaner Clegg & Gutmann abstruse Geschichten über Pop-art, die Reize der „Versteckten Kamera“ und öffentliche Toiletten erzählen.
Durch die strenge Reihung entsteht aus der Summe plaudernder talking heads eine farbintensive Raumkomposition, die von Symmetrie, Reduktion und einer gewissen Regelmäßigkeit der Schnitte lebt. Außerdem wurden selbst allzu ausufernde Monologe auf ein erträgliches Maß von maximal 45 Minuten zusammengestrichen. Bis man allerdings bei Franz West und seinen verkaterten Überlegungen zu Bildhauerei und der Einsamkeit des Künstlers bei Eröffnungen kommt, kann es schon ein paar Stunden dauern. Es sei denn, man arbeitet sich von hinten durch das Alphabet. Nur verpaßt man dann vielleicht Chris Burdens Football-Feld-Allegorie.
Bis 26.7., Mi–So 14–19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2.
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