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Den Bock zur Gärtnerin gemacht

■ betr.: „Ist der Mann doch die bes sere Frau?“, taz vom 31. 7. 98

Die Resultate männlicher Bemühungen um Gleichberechtigung sind allenthalben in Deutschland zu bewundern. Trotz fast 50 Jahren Gleichberechtigungsgebot im deutschen Grundgesetz, trotz 20jähriger Tradition institutionalisierter Frauenpolitik sind die Erfolge marginal. Deutsche Verwaltung wird noch immer von Männern geleitet, die peinlichst auf die Umsetzung von Gesetzen achten – solange es sich nicht um die „Belange“ von Frauen handelt. Dafür fehlt ihnen neben dem Interesse vor allem die Qualifikation. Soziale Kompetenz können sie sich zwar in entsprechenden Managementkursen antrainieren lassen, nachdem Unternehmensberater erkannt und erfolgreich propagiert haben, daß dies eine Eigenschaft ist, die der moderne Manager unumgänglich braucht, um im globalen Wettbewerb sich und seine Führungskräfte auf die gewinnbringende Vernachlässigung sämtlicher Sozialstandards harmonisch einschwören zu können.

Dennoch bleiben dem Manne grundsätzliche Erfahrungen meist auch grundsätzlich erspart. Kaum einem wird angeboten, ihn mal wieder richtig durchzubumsen, wenn er frustriert über die mangelnde Anerkennung seiner Leistungsfähigkeit Motivation vermissen läßt. Kaum einer wird auf dem Arbeitsamt gefragt, wer sich denn um seine Kinder kümmert oder ob er wirklich arbeiten muß, wenn doch seine Frau so gut verdient. Kaum einer muß sich immer aufs neue dafür rechtfertigen, daß seine Karrieregeilheit vermutlich zu Lasten seiner Familie geht, daß vor allem er an der Auflösung der Familie in Deutschland die Schuld trägt. Strategien im Umgang mit den alltäglichen Zumutungen weiblichen Berufslebens entwickelt mann eher als Täter denn als Betroffener.

Immerhin hat ein Dienststellenleiter (männlich sozialisiert, sonst hat er/sie kaum ein Chance, auf einen solchen Job zu kommen) bei der Benennung der Qualifikationskriterien für den Job einer Frauenbeauftragten solche ihm unbekannten Qualifikationen naturgemäß nicht im Sinn. Herr Schmelcher kann also sicher mühelos die geforderte Qualifikation nachweisen, selbst wenn seine Frau ihm nicht treusorgend den Rücken dafür freihalten sollte. Immerhin ist es für ihn eine Entwicklung, und er und seinesgleichen werden sich gewiß zumindest erfolgreich dafür einsetzen, daß nun endlich auch solche Stellen nicht bevorstehenden Behördenverschlankungen zum Opfer fallen werden.

Der Gleichstellungsbeauftragte im Ohrekreis steht als Beispiel für diese Qualitäten. Er ist ein unter Bestandsschutz stehendes Relikt der ersten Fassung des sachsen-anhaltischen Frauenfördergesetzes, das – welche will von einer CDU/ FDP-Mehrheit andere Einsichten verlangen – männliche Gleichstellungsbeauftragte noch zuließ. Weil er als solcher wenig zu tun weiß, darf er sich neben seiner hauptamtlichen Gleichstellungstätigkeit auch als Behinderten- und Ausländerbeauftragter bewähren. Über die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten weiß er immerhin öffentlich zu berichten, daß es mehr umfaßt als nur die Quote. Umsetzungszeiträume für Gesetzesänderungen besagten Frauenfördergesetzes sieht er im biblischen Maßstab. So ist es in der lokalen Presse nachzulesen.

Das sachsen-anhaltische Kultusministerium gar (ausschließlich männliche Abteilungsleiter und männliche Referatsleiter in der zuständigen Abteilung) vermeidet die Auseinandersetzung um männlich oder weiblich gleich gänzlich. Seit einem guten Jahr zögert es die „unverzügliche“ (lt. Gesetz) Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten an den neun staatlichen Schulämtern hinaus. Schulamtsleiter verschanzen sich dahinter, keine Weisung zur Umsetzung des Gesetzes zu haben. Wo keine KlägerIn, findet sich allerdings auch keine RichterIn.

Natürlich ist der Mann die bessere Frau, weswegen letztere im Osten und im Westen, freundlich unterstützt von fähigen Männern solcher Art, gern von ihrer ungebrochenen Erwerbsneigung abläßt und sich massenhaft und einsichtig der Einzelhaft in ihrer vom Autoverkehr umbrausten kleinsten Zelle der Gesellschaft zuwendet. Einer muß ja schließlich zurückstehen, oder wie? Elke Plöger, Ebendorf

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