piwik no script img

Recyclingkonzern Sero hat die Hosen voll

■ Sero recycelt Windeln aus Krankenhäusern und Altenheimen in Mecklenburg-Vorpommern. Die erste Anlage in Europa wird als unwirtschaftlich und nicht umweltfreundlich kritisiert

Berlin (taz) – Sero, eigenen Angaben zufolge „das größte Recyclingunternehmen Deutschlands“, hat gestern in Neubrandenburg Europas erste Recyclinganlage für Windeln in Betrieb genommen. Fünf Millionen Mark hat die Anlage gekostet und 20 neue Arbeitsplätze geschaffen. Mit einem patentierten Deckelsacksystem will Sero die Windeln aus Krankenhäusern und Altenheimen geruchs- und auslaufsicher erfassen. Dann werden sie zerkleinert, mehrmals gewaschen und sortiert.

3.000 bis 3.500 Tonnen Windeln aus Mecklenburg-Vorpommern bereitet Sero in der Anlage auf. Da Abfallgebühren hoch sind, seien die Krankenhäuser, Kindertagesstätten und Altenheime auch „gern zum Mitarbeiten bereit“, sagt Sero-Sprecherin Beatrix Melis. Private Haushalte seien vorerst „uninteressant“. In Deutschland landen jährlich eine Million Tonnen Windeln im Müll. Dreiviertel der Masse bestehen aus menschlichen Ausscheidungen.

Durch das Recycling entstehen relativ minderwertige Stoffe: Während die Ziegelindustrie den Kunststoff aus den beschmutzten Folien ihren Produkten beimischt, werden aus dem Zellstoff der Windeln Faserplatten hergestellt. Der Rest geht an die papierverarbeitende Industrie. Skeptisch steht das Forum „Hygiene und Umwelt“, ein Zusammenschluß von Umweltberatern und der Windel- und Hygienebranche, dem Projekt gegenüber. Bisherige Erfahrungen hätten gezeigt, daß derartige Technologien „kaum Chancen auf Erfolg“ haben.

Etwas zurückhaltender wirkt Pampers-Hersteller Procter & Gamble. Bei einem eventuellen Recycling, sagt P&G-Sprecherin Christina Jakob, müsse die „Umweltbelastung durch den chemischen Reinigungsprozeß“ eingehender untersucht werden. P&G setze daher auf einen reduzierten Materialeinsatz sowie auf eine bestmögliche „energetische Verwertung“ – also auf Verbrennung. Auch könnten die Windeln in Kompostieranlagen der Kommunen verrotten.

„Ach was, Kompostierung“, ärgert sich Melis von Sero. Das sei doch nur Zukunftsmusik. Recycling sei die einzige Lösung, entgegen allen Befürchtungen trage sich die Anlage sogar von selbst. Genau das stellen Skeptiker in Frage. Laut Angaben des Forums „Hygiene und Umwelt“ sei bisher nicht bewiesen, daß derartige Verfahren „ohne Subventionen auskommen“. Stefano Recchia

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen