: Die Verbrechen der Roten Khmer –betr.: „Nur der Stärkere hat recht“, „Kambodscha ist heute noch ein moralisches Trümmerfeld“, taz vom 8. 1. 99
Als amtierender Reporter für Weltgeschehen möchte ich darauf hinweisen, daß der Genosse Nuon Chea nicht als „Bruder Nr. 2“ galt. Diese Ziffer war dem Genossen Ieng Sary vorbehalten, einem besonders blutrünstigen Agrarkommunisten und „Außenminister“ der Roten Khmer. Von ihm redet niemand mehr. Er wurde begnadigt und zum Chef der Edelsteinhochburg Pailin gemacht.
Es ist leider auch so, daß „Gentleman“ Khieu Samphan mitnichten 1991 zum letzten Mal in Phnom Penh war. Ich konnte ihn höchstpersönlich im Jahre 1993 im Königlichen Palast von Sihanouk besichtigen. Dort hatte er sich als damaliges Mitglied des Obersten Nationalrates eingefunden.
Und nun zu Herrn Sontheimer, der seit Jahren keine Gelegenheit ausläßt, gegen das Tribunal von 1979 zu polemisieren, das immerhin bis heute das einzige öffentliche Zeugnis der Verbrechen der Pol-Pot- Zeit geblieben ist. „Pure Propaganda“, urteilt der Spiegel-Mann. „Unfair“, urteilt amnesty international. „Der Prozeß hat formal gesehen Mängel. Aber das ändert nichts an meiner Meinung, daß wir hier die Wahrheit hören“, urteilte 1979 ein Beobachter vor Ort, der US-amerkanische Jura-Professor John Quigley von der Ohio-State-University. Ähnlich äußerte sich der Niederländer van Lelyveld als Vertreter des Weltkrichenrates. Ich selbst habe damals als einziger Journalist aus der Bundesrepublik an dem Tribunal teilgenommen, als einer von 30. Nach der Einschätzung des Herrn Sontheimer in seinem erwähnten rororo-Buch alles „Handverlesene“, was immer das ist. Ich weiß zwar nicht, wer mich handverlesen hat, halte es aber für möglich, daß dies in der Informationsabteilung der KPdSU oder in stiller Mies-Runde zu Düsseldorf am Rhein geschehen sein könnte. Jedenfalls hatte ich damals einen Journalisten-Preis gewonnen, der mich in die Lage versetzte, nach Vietnam und Kambodscha zu reisen. Ich habe unter anderem die Zeugenaussagen vor dem Tribunal von 1979 erlebt. Die Verbrechen der Roten Khmer wurden authentisch dokumentiert. Menschen brachen dabei schreiend und wimmernd zusammen, standen wieder auf und sprachen weiter. Vor 20 Jahren habe ich darüber unter anderem im WDR und in der Zeitung, deren Redakteur ich damals war, der Deutschen Volkszeitung, berichtet.
Übrigens bin ich dort drei Jahre später wegen meiner DDR-Berichterstattung und wegen „Renegatentums“ handverlesen fristlos gekündigt worden. Folgen hatte das noch 1986, als ich mit einem gültigen Visum nach Kambodscha reisen wollte, dieses Visum jedoch sozusagen in letzter Sekunde von der kambodschanischen Regierung auf Initiative realsozialistischer Machthaber für ungültig erklärt wurde. Der kambodschanische Botschafter in Ost-Berlin, der das Visum ausgestellt hatte, wurde deshalb und wegen anderer Unbotmäßigkeiten abgelöst und in die malariaverseuchte Nordwestregion Kambodschas in den Machtbereich der Roten Khmer strafversetzt. Er überlebte, wurde später rehabilitiert und sogar stellvertretender Außenminister. Ich habe ihn 1993 in Phnom Penh getroffen, und er hat mir die Geschichte bestätigt.
Die Aussagen des Tribunals von 1979 liegen seit 20 Jahren vor. Nichts davon ist jemals bestritten worden. Was heißt in diesem Zusammenhang „pure Propaganda“? Daß der Besatzer Vietnam, der die Massenmörder erst in die Flucht geschlagen hatte, Mitveranstalter war? Daß Heng Samrin und Hun Sen, als ehemalige Rote Khmer, Mitveranstalter waren? Daß zuvorderst die USA durch ihre militärischen und politischen Verbrechen in Sachen Kambodscha den Genozid „im Land der sanften Mörder“ erst ermöglicht haben und hernach die Massenmörder jahrelang mit Geld und Gut (sprich: Waffen) gehätschelt haben, hat Herr Sontheimer dankenswerter Weise in verständlicher Sprache gut herausgearbeitet. Alexander Goeb, Frankfurt am Main
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