: Warten auf den Blütenzauber im Euro-Land
Zwar werden die alten Geldscheine erst 2002 in Euro-Scheine umgetauscht, doch schon heute stehen die Fälscher wie auch die Falschgeldabteilung der Kripo in den Startlöchern. Der Grund: Nicht nur Markscheine können hierzulande getauscht werden, sondern auch Peseten und Lira ■ Von Gunnar Leue
Daß die Finanzminister der elf Euro-Staaten kürzlich die vorgezogene Einführung des Euro-Bargelds ablehnten, dürfte in manchen Finanzkreisen besondere Freude ausgelöst haben. Die Geldfälscherbranche behält nun nämlich die gewünscht lange Zeit, sich auf den Abschied von der beliebten D-Mark auf ihre Art vorzubereiten.
„Auf uns kommt Ungeheuerliches zu“, sagt Ute Kadow vom Landeskriminalamt Berlin, wo sie eine zehnköpfige Abteilung zur Falschgeldbekämpfung leitet. Die Kriminalkommissarin befürchtet eine Blütenschwemme, wofür es reichlich Anzeichen gibt. So wurde 1998 in Berlin bedeutend mehr Falschgeld sichergestellt als im Jahr zuvor, und der Trend zum erhöhten Blütenanflug „hält unvermindert an“.
Aktuelle Zahlen will die Kripo- Frau nicht verraten. Aber jährlich sind es zwischen 1,5 und zwei Millionen falsche Mark, die ihre Abteilung sicherstellt. Womit Berlin, wo vor allem Fälscher aus Osteuropa aktiv sind, neben NRW und Bayern zu den großen Blütenumschlagplätzen in der Bundesrepublik gehört. Aus dem Grund wurde die Kripo-Truppe erst im letzten Jahr um drei Leute verstärkt, was die Chefin schon „wie Ostern und Weihnachten auf einen Tag“ empfand. Sicher könnte sie noch mehr Beamte gebrauchen, aber „es steht ja immer die Frage, wo die herkommen sollen“.
Darüber müssen sich ihre Gegenspieler nun wirklich keine Gedanken machen. Die Ganoven rüsten sich vielmehr für das Jahr 2002, wenn vom 1. Januar bis zum 30. Juni der Bargeldumtausch von Mark in Euro erfolgen wird. Bis dann müssen natürlich auch die Fälscher ihre bestehenden Depots räumen. Doch die Polizei erwartet sogar eine Ankurbelung der Blütenproduktion. Denn die Betrüger würden – wohl nicht zu Unrecht – hoffen, daß ihre potentiellen Opfer in der Hektik der Umtauschphase noch weniger an die Falschgeldgefahr denken als bisher schon.
Damit nicht genug der günstigen Umstände für die Blütendealer. Innerhalb der Umtauschfrist sind alle deutschen Geschäftsbanken verpflichtet, auch alle Währungen von Teilnehmerstaaten der Europäischen Währungsunion entgegenzunehmen. „Aber welcher Schalterangestellte kann schon auf Anhieb echte von gut gefälschten Peseta oder andere Fremdwährungen unterscheiden?“ fragt sich Kriminalkommissarin Kadow.
Außerdem dürften in der Zeit bereits die ersten nachgemachten Euro-Scheine in Umlauf sein, wie bisherige Erfahrungen der Polizei mit der Flexibilität ihrer „Klientel“ zeigen. Kriminalistin Kadow erzählt, daß die Münchner Polizei genau an dem Tag, als der 100-Mark- Schein der aktuellen Banknotenserie 1990 neu in den Zahlungsverkehr kam, schon die erste Fälschung sicherstellte. Die Kripo- Experten gehen deshalb von einem dreifachen Blütenanflug aus: gefälschte D-Mark, Fremdwährungen und Euros. Aus diesem Grund rät Kommissarin Kadow den für die Bargeldumstellung zuständigen Banken zu einer personellen Verstärkung und besonderen Schulung des Schalterpersonals. Doch die Banken haben bis jetzt noch andere Sorgen, wie das Computerproblem 2000.
Bei der Bankgesellschaft Berlin will man sich zu „gegebener Zeit intensiv auf die Umstellungsphase vorbereiten“. Volker Winde von der Pressestelle des Bankhauses versichert, daß „die Empfehlungen der Polizei auf jeden Fall ernst genommen“ würden. Über konkrete Konsequenzen könne er aber noch nichts sagen.
Unabhängig davon beklagen die Kripo-Leute ein mangelndes Bewußtsein für die Betrugsgefahr in der Bevölkerung. „Während die Bürger beim Kauf von Tomaten auf Schadstellen achten“, so Ute Kadow, „machen sie das ausgerechnet bei ihrem Geld fast nie.“ Dabei müsse man nur wissen, wie echte Banknoten aussehen, um gefälschte zu erkennen. Was wegen der sechs auffälligen Echtheitsmerkmale der deutschen Noten nicht schwerfallen soll. Außerdem hätte die Bundesbank vor einigen Monaten den Fälschungsschutz bei den besonders beliebten 100- und 200-Mark-Scheinen durch zusätzliche Sicherheitskennzeichen sogar noch verbessert.
Anschauen sollte man sich sein Geld schon deshalb genauer, rät Ute Kadow, weil Falschgeld – hier beißen den letzten mal wieder die Hunde – ersatzlos eingezogen werde. Trotzdem sei jeder bei einem Verdacht verpflichtet, die Polizei zu informieren. Selbst wenn das manchmal schwerfalle, weil man die Herkunft des Falschgelds nicht nachweisen könne.
Denn das kann fast überall als Wechselgeld zu einem stoßen. Wenngleich die blauen Hunderter die Renner unter den Blüten sind, wird alles ab dem Fünfmarkschein kopiert. Und selbst beim Hartgeld droht Gefahr, weiß die Berliner Kommissarin. Sie machte unter den eingezogenen unechten Münzen sogar, im wahrsten Sinne des Wortes, falsche Fuffziger ausfindig. Die sind nämlich als Automatenfutter sehr beliebt.Foto (M): Achim Duwentäster
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