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Teurer Schrott für die Berliner Stadtreinigung

■ Der SPD-Politiker Ditmar Staffelt war Geschäftsführer zweier Entsorgungsanlagen, die die Stadtreinigung trotz technischer Mängel für rund 16 Millionen Mark kaufte. Eine wurde bereits stillgel

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) mußte kürzlich in einen sauren Apfel beißen. Vor einer Woche erwarb die landeseigene Firma eine Müllverbrennungsanlage (Rowitec) von dem Weltkonzern Australian National Industries (ANI). Der Kaufpreis läge „unter 5 Millionen Mark“, erklärt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Doch die Anlage werde demnächst stillgelegt, sagt Thümler, und nach derzeitigem Planungsstand „komponentenweise rückgebaut“.

Die Anlage in Ruhleben ist schon der zweite Betrieb, den die Stadtreinigung in jüngster Zeit von ANI gekauft hat – und stillgelegt. Die Boran-Bodenreinigungsanlage im Westhafen läuft ebenfalls nicht mehr. In beiden Fällen spielte das ehemalige Mitglied des Abgeordnetenhauses, Ditmar Staffelt (SPD), eine merkwürdige Rolle. Staffelt war nicht nur Geschäftsführer beider Betriebe, sondern saß auch dem Ausschuß für Wirtschaft und Betriebe des Parlaments vor. Der Ausschuß war für die Kontrolle der Senatsbetriebe wie zum Beispiel der BSR zuständig. Staffelt, heute Mitglied des Bundestages, räumt ein, 1997 bei den Verkaufsverhandlungen mit der BSR für den australischen Konzern ANI aktiv gewesen zu sein.

Laut ursprünglichem Vertrag, den ANI und Staffelt mit der BSR aushandelten, sollte die Stadtreinigung sogar 79 Millionen Mark für die Ruhlebener Anlage hinblättern. Dabei ging aus einem BSR- Gutachten hervor, daß die Anlage schwerwiegende technische Mängel aufwies. Aus einem Protokoll des BSR-Aufsichtsrates ist zu entnehmen, daß der CDU-Staatssekretär für Wirtschaft, Dieter Ernst, den viel zu teuren Kauf trotz der Bedenken vorantrieb.

Der BSR-Vorstand widerstand dem politischen Druck nicht, konnte aber eine Vertragsklausel durchsetzen, wonach die Anlage wirtschaftlich funktionieren müsse. Das jedoch tut sie bis heute nicht. Daß die BSR immer noch fast 5 Millionen Mark für den Schrott ausgibt, sei auf einen alten, ungünstigen Liefervertrag über Müllmengen zwischen BSR und Rowitec zurückzuführen, erklärt die BSR nun.

Ähnlich verlief der Verkauf der ebenfalls ANI gehörenden Boran- Bodenreinigungsanlage im Westhafen. Die Anlage der Boran, deren Geschäftsführer Staffelt war, wurde Mitte 1997 für 17 Millionen Mark an die Berliner Wasserbetriebe (BWB) und die BSR veräußert.

Auch hier hatten Gutachter im Auftrag der Stadtreinigung technische Mängel festgestellt. Erneut verhandelte Staffelt für ANI, und CDU-Staatsekretär Ernst befürwortete den Kauf. Und wieder war der BSR-Vorstand nicht in der Lage, das Geschäft zu verhindern, sondern machte die Transaktion von einem erfolgreichen Dauerbetrieb abhängig.

Doch obwohl die Anlage nach Verkaufsunterzeichnung nie störungsfrei lief, überwiesen Wasserbetriebe und Stadtreinigung Ende Juli vergangenen Jahres den Kaufpreis von 11,8 Millionen Mark. Am 31. Oktober wurde die Reinigungsmaschine dann stillgelegt. Laut BSR sollte die Boran-Anlage schon Ende vorigen Jahres veräußert werden. Doch bis heute hat sich kein Käufer gefunden.

„Das ist der Gegenteil von verantwortungsvoller Geschäfstspolitik“, sagt Judith Demba, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Demba kritisiert vor allem, daß die BSR sich auf die Verträge einlasse – „im vollem Bewußtsein, daß die Anlagen nur teurer Schrott sind“. SPD- Politiker Ditmar Staffelt will sich zu den Verkäufen gegenwärtig nicht äußern. Mathew D. Rose

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