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Archiv-Artikel

Vom Landtag in die Loge

Grünkohl auf Schalke: weil sich Abgeordnete in Gelsenkirchen bewirten ließen, wurden die Finanzbehörden eingeschaltet. Politiker verunsichert. Staatsrechtler: „Brauchbare Illegalität“

VON KLAUS JANSEN UND MARTIN TEIGELER

Ein bisschen peinlich ist die Angelegenheit den Sportpolitikern im Landtag schon. Er habe nur „zwei Würstchen gegessen und alkoholfreies Bier getrunken“, sagt der SPD-Abgeordnete Hans-Theo Peschkes. „Die Sicht war schlecht und die Plätze ungemütlich“, erinnert sich ein anderer Parlamentarier. Und alle sind sich einig, dass das Treffen am vergangenen Mittwochabend eine Dienstveranstaltung gewesen ist. Ein Pflichttermin. Nur dass die Sitzung des Sportausschusses nicht in einem kühlen Besprechungsraum des Düsseldorfer Landtages, sondern in einer VIP-Loge in der Arena „Auf Schalke“ stattgefunden hat.

Der Ausflug der 26 Fachpolitiker wird jetzt von den Behörden geprüft. Möglicherweise müssen die Parlamentarier den Besuch des Bundesligaspiels Schalke gegen Aachen nachversteuern. Bier, Grünkohl und Edelloge kosten normalerweise 350 Euro. Ob es sich dabei um einen „geldwerten Vorteil“ handelt, beschäftigt nun das NRW-Finanzministerium und den Ältestenrat des Landtags. Angeschwärzt hatte die Parlamentarier der FC Schalke, auf dessen Einladung die Politiker in Gelsenkirchen waren. Der Verein befürchtet offenbar Konsequenzen, da in Baden-Württemberg wegen der Vergabe kostenloser WM-Tickets an Politiker Korruptionsermittlungen laufen. „Bei uns ist eine Anfrage eingegangen“, sagt eine Sprecherin des Finanzministeriums. Schalke schweigt.

Den Parlamentariern wurde bereits am Mittwoch klar, dass der Arbeitstermin Ärger einbringen könnte. Schon in der Arena habe man erfahren, dass der Spiegel über das Treffen berichten würde, sagt ein Teilnehmer. In der gestrigen Ausgabe war die „kostenlose Fußball-Sause“ dann auch tatsächlich Thema. „Da will jemand ein Exempel statuieren“, beschwert sich ein Abgeordneter.

Nach Darstellung der Teilnehmer verlief der Abend völlig spaßfrei. „Wir haben mit den Schalker Verantwortlichen über die Quellensteuer und andere Fachfragen gesprochen“, sagt der Ausschussvorsitzende Axel Wirtz (CDU). Rund eine Stunde lang habe man getagt – und danach das Fußballspiel angesehen. „Wenn ich mir ein Stadion anschaue, dann am Abend wenn auch gespielt wird.“ Zuvor sei der Ausschuss bereits im Mönchengladbacher Borussiapark zu Gast gewesen. „So etwas muss möglich sein“, sagt der Grüne Ewald Groth – obwohl er betont, auf Schalke nicht dabei gewesen zu sein.

Landtagspräsidentin Regina van Dinther sieht in dem Abgeordneten-Ausflug offenbar kein Problem. Gestern morgen forderte die CDU-Politikerin noch einen „genauen Bericht“ über die Schalke-Fahrt – nach Ansicht der Tagesordnung hatten sich ihre Bedenken am Nachmittag aber nach Angaben ihres Sprechers zerstreut.

Reisen und politische Ausflüge gehören zur Lieblingsbeschäftigung der NRW-Abgeordneten: Der Sportausschuss weilte in diesem Jahr bereits im Berchtesgadener Land, den Kommunalausschuss zog es nach Wien, um sich über die österreichische Verwaltungsreform zu informieren. Ebenfalls genehmigt wurden in diesem Jahr Touren in die USA (Wissenschaftsausschuss) und Stockholm (Enquete-Komission Energie). Hinzu kommen die beliebten Trips der Parlamentariergruppen, die die Freundschaften mit China, der Türkei oder Israel pflegen. Bezahlt werden auch diese Reisen nicht von den Abgeordneten, sondern aus der Fraktionskasse. Fahren die Politiker im Auftrag des Parlaments, schießt auch hier die Landtagskasse Geld zu.

„Die Situation ist grotesk“, sagt der Landtagsvizepräsident Edgar Moron. Das Ältestenratsmitglied verlangt eine Klärung der Rechtslage: „Im Moment macht jedes Finanzamt, was es will. Niemand weiß mehr, ob er eine Einladung zur Karnevalssitzung oder zum Presseball versteuern muss.“ Doch selbst Experten wie der Düsseldorfer Staatsrechtler Martin Morlok sind unsicher in der Bewertung der Politikerausflüge: „Rechtlich liegen solche Veranstaltungen in einer Grauzone“, sagt er. Allerdings müsse nicht aus jedem Freibier eine Staatsaffäre gemacht werden: „Es gibt auch eine brauchbare Illegalität.“