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Archiv-Artikel

Ich schaff das, ich schaff das

THEATER Im Gorki-Studio inszeniert Cristin König „Die Wohngemeinschaft“, eine Farce über die Ziellosigkeit und den Rückzug ins Private

Jede Albernheit hat deutlich Ventil-Funktion, der Hintergrund ist schwarz grundiert

Vier Frauen suchen einen Mann. Sie suchen ihn für Anna, die ihr Erbe nur erhält, wenn sie innerhalb eines Monats schwanger wird. Mit nur 10 Prozent davon wären sie alle aus den Schulden raus.

Das ist ein Schwachsinns-Plot, zugegeben. Damit erinnert „Die Wohngemeinschaft“, von Cristin König geschrieben und inszeniert, an die durchsichtigen Konstruktionen von Boulevard-Komödien und Vorabendserien. Aber das schadet der Aufführung im kleinen Studio des Gorki-Theaters nicht. Man darf die handwerkliche Konstruktion ruhig knirschen hören, denn das Unwahrscheinliche der Situationen wird zu einer sportlichen Herausforderung.

Die vier Schauspielerinnen Jenny Schilly, Britta Hammelstein, Anja Schneider und Hilke Altefrohne nehmen diese Herausforderung mit genau jenen Haltungen an, die ihre Figuren auch dem Leben gegenüber haben: Schilly gibt ihrer Katrina die verknappten Gesten einer Frau mit, die schon lange nicht mehr glaubt, dass sich irgendjemand da draußen für sie und ihren Ausdruck interessiert. Katrina telefoniert auf der Suche nach einem Samenspender ihre Ex-Männer durch und muss dann resümieren: „Ich habe keine Freunde.“ Steffie, Biologiestudentin mit Ambitionen auf ein eigenes Forschungsprojekt, versucht die Zeugungsanbahnung chemisch zu steuern, großzügig verteilt sie Pillen. „Ich schaff das, ich schaff das“, sagt die von ihr versorgte Anna in beängstigender Euphorie vor sich hin.

Anna ist deutlich über dreißig und von einer großen Schüchternheit. Sie hat die Sätze zur Kontaktaufnahme auswendig gelernt und sagt sie auf mit dem Mut der Verzweiflung. „Wenn es gleich regnet, kommst du mit unter meinen Schirm“, aber sie sitzt ja mit Tom auf dem Sofa und der Satz macht keinen Sinn. Vor allem ein naives Staunen darüber, dass sie das ist, die diese Sätze sagt, verbindet die Schauspielerin Anja Schneider mit ihrer Anna. Das ist die Doppelbödigkeit, die der Situationskomik zugutekommt.

Davon hat „Die Wohngemeinschaft“ viel zu bieten, es gibt die schnellen Dialoge des Missverstehens, bei denen der Zuschauer weiß, dass Anna und Stefan jetzt nicht vom selben Gegenstand reden, aber denken, das zu tun. „Sie sind jetzt der Profi“, sagt sie und denkt an den Callboy, den die anderen für sie engagieren wollten, und er nickt, er ist der Profi, um das verpfändete Klavier zu holen. Das schraubt sich schnell in die Höhe.

Cristin König, selbst auch Schauspielerin, hat in dieser Produktion erst mal alles dafür getan, dass ihre Kollegen die Rampensau von der Leine lassen können. Jede Albernheit hat dabei deutlich Ventil-Funktion, der Hintergrund ist schwarz grundiert von Identitäts- und Finanzkrisen. Keine und keiner hat hier einen Plan für die Zukunft, zumindest keinen funktionierenden. Privatleben ist alles, was sie haben.

Der Plot ist nur eine Hilfskonstruktion für das Gegeneinanderhalten dieser Elemente. Er driftet im letzten Teil des Stücks in eine komplizierte Geschichte ab, in der Figuren aus der Vergangenheit Probleme machen und sich die Dinge surreal entwickeln. Als Stück überzeugt die Inszenierung ab der Mitte nicht mehr, der Wechsel der Spielweisen und Rhythmen aber hält einen bei der Stange. Am Ende dominiert Traurigkeit, alle die sprudelnden Ausbrüche, die plötzliche Beschleunigung nach dem jahrelangen Stillstand, waren doch nur ein letztes Gefecht, bevor Resignation und Aussichtsichtslosigkeit sich ausbreiten.

KATRIN BETTINA MÜLLER

■ Im Gorki Studio wieder am 3. März