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Bezichtigung

Kaum zu glauben, da dachte man doch, nichts sei inzwischen langweiliger, abgedroschener und ausgereizter als der paternalistische Gutmenschendiskurs über den Zusammenhang von Gewalt und Medien. Und prompt flammt er wieder auf, bei einem jener mittelmäßigen Filmchen, von denen sich jedes Jahr so um die hundert Stück ins Kino schleichen, ohne dass irgendein Moralapostel überhaupt Notiz davon nähme.

Den deutschen Starttermin von „Tötet Mrs. Tingle!“ könnte man angesichts der Gewalttat an einer Meißner Lehrerin vielleicht als unglückliche Koinzidenz bezeichnen, und damit hätte sich die Sache. Aber nein, da entblödet sich der Münchner Verleih Kinowelt nicht, ausdrücklich feststzustellen, sein Film sei kein Aufruf zum Töten. Und noch besser: Der Verleih rief die Kinos auf, Plakate mit dem Filmtitel durch neue mit der Aufschrift „Rettet Mrs. Tingle!“ zu ersetzen.

Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, setzte in der gestrigen B.Z. nach, man müsse den Film vom Markt nehmen, da er „geradezu infizierende Wirkung“ haben könne: „Die Eltern müssen ihre Kinder davon abhalten, sich das anzusehen.“ Mal ganz abgesehen davon, dass Herr Krause das noch gar nicht gesehen haben kann, also mal eben so prophylaktisch ins Blaue hinein für Zensur plädiert, fühlt man sich inzwischen kurz vorm bundesweiten Start von „Sind die noch zu retten?“. Und ja kein Trotzbesuch: Bis auf Helen Mirrens Darstellung der pädagogischen Schreckschraube ist der Film genauso albern wie die ganze Diskussion darüber. KN

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