: Die Wiederholung in den Radios
Der Geschäftsführer von Hundert,6 muss 70.000 Euro Strafe zahlen. Zweimal setzte er Mitarbeiter vor die Tür. Beim linken Radio 100 und beim Betonfunk. Er sieht sich als Opfer von Spekulanten
Von Uta Falck
70.000 Euro muss er zahlen. Wegen Insolvenzverschleppung und Untreue soll der letzte Geschäftsführer des Radiosenders Hundert,6 tief in die eigene Tasche greifen. Dabei hätte Thomas Thimme günstiger davonkommen können. Im Sommer war sich sein Anwalt bereits mit dem Amtsgericht Tiergarten einig: Ohne Verhandlung waren eine Geldstrafe von 4.500 Euro sowie elf Monate Haft auf Bewährung festgelegt worden. Thimme passte das gar nicht. Er wechselte den Anwalt, zog erneut vor Gericht und kassierte Ende vergangener Woche das finanziell schmerzhaftere Urteil.
Thimme hätte es wissen können. Seit 20 Jahren ist er in der Radiobranche. Und als ehemaliger Linker könnte er zudem bei Marx gelesen haben, dass Geschichte sich wiederholt, mal als Tragödie, mal als Farce. Aber Thimme hat offenbar einen Hang zur Wiederholung.
1991 meldete er als Geschäftsführer für das legendäre linksalternative Radio 100 Konkurs an. Die Mitarbeiter standen vor verschlossenen Türen. Wenig später erbte Radio Energy die Frequenz – und Thimme als Geschäftsführer. 2005 war Thimme am anderen Ende der politischen Radioskala angekommen – als Geschäftsführer von Hundert,6, das sich in den Anfangszeiten des Privatradios mit Radio 100 eine Frequenz geteilt hatte. Die einen beendeten ihr Programm mit der Nationalhymne, die anderen starteten das ihre mit einer Klospülung.
Im April 2005 beendete Thimme auch die Existenz des bisherigen Hundert,6 mit einem Insolvenzantrag. Die protestierenden Mitarbeiter standen vor verschlossenen Türen. Thimme startete neu – im einstigen Studio von „Radio 100“. Doch diesmal setzte er sich nicht durch. Er verlor die Frequenz an Motor FM. Soweit die Tragödie. Die Farce folgte vor Gericht.
Der Staatsanwalt warf Thimme vor, bereits Ende 2003 von der Zahlungsunfähigkeit des Senders gewusst zu haben. Innerhalb von drei Wochen hätte der Geschäftsführer den Insolvenzantrag stellen müssen. Er tat es erst 15 Monate später. Zudem ist laut Staatsanwalt in den Unternehmensbilanzen ein Darlehen in Höhe von 234.000 Euro an Thimme verzeichnet, dessen Rückzahlung sich Thimme im April 2004 selbst erlassen habe. Damit habe er das bereits bankrotte Unternehmen ausgeplündert und sich bereichert, argumentiert der Ankläger.
Der Radiomann bestreitet diese Vorwürfe: Schon 2002, als er die Geschäftsführung übernahm, habe Hundert,6 finanzielle Problem gehabt. Die Ursache dafür habe er aber erst später erkannt. Damals, zur großen Zeit der Radiodispute, wurde Hundert,6 auch „Betonfunk“ genannt, erinnert Thimme. Nicht nur wegen der konservativen Ausrichtung des Programms, sondern auch weil die früheren Gesellschafter hauptsächlich aus der Baubranche kamen. So sei das ehemalige Aufsichtsratsmitglied Klaus Groenke ursprünglich Eigentümer des Gebäudes gewesen, in dem Hundert,6 in einer fensterlosen Etage residiert habe, laut Thimme mit einer „Kaltmiete von 100 Mark für den Quadratmeter“.
Thimme klagte gegen den seiner Meinung nach sittenwidrigen Mietvertrag durch alle Instanzen – am 5. April 2005 verlor er endgültig. 2,8 Millionen Euro Miete waren bis dahin aufgelaufen. Erst danach habe er die Hoffnung aufgegeben. Und Insolvenz angemeldet. „Das ist die ganze Tragik von Hundert, 6. Ansonsten hätte das geklappt“, sagte der Radiomann. „Dass Unternehmen war auf einem guten Wege.“ Aber diesmal lief der engagierte Radiomacher vor verschlossene Türen.
Immerhin hat Thimme für das seltsame Darlehen eine Erklärung. Es handele sich um sein Honorar für die Jahre 2002 und 2003. Monatlich 13.600 Euro, so habe es die Gesellschafterversammlung beschlossen. Weil sein Steuerberater dafür keinen Vertrag vorgefunden habe, sei das Geld als Darlehen gebucht worden, erklärt Thimme: „Das Unternehmen wurde von einem Mietvertrag zerstört, mit dem sich die alten Gesellschafter des Senders die Taschen gefüllt haben“, sagt Thimme. Fast klingt er, als wäre er wieder bei den Spontifunkern von Radio 100.
Er will eine weitere Wiederholung, er will Revision vor Gericht. Auch in seiner Lieblingsbranche ist Thomas Thimme weiter aktiv. In Brandenburg ist sein „Powerradio“ zu hören.
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