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Ab jetzt wird nachgebessert

Die Gesundheitsreform schafft viele Probleme, anstatt sie zu lösen. Offen bleibt vor allem, woher die zusätzlich benötigten Steuergelder kommen sollen

„Gesundheitsreformen sind wie Olympische Spiele. Sie kommen alle vier Jahre“

VON ANNA LEHMANN

Die Dramaturgie haben Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Kurt Beck im Januar so vereinbart: Heute wird das Gesetzespaket im Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wird zu den Abgeordneten sprechen und betonen, dass man einen guten Kompromiss gefunden habe. Vertreter von SPD und Union werden klatschen. Laute Buhrufe von den Bänken von FDP, Grünen und Linkspartei (unvermeidlich, aber Zeichen demokratischer Kontrolle). Dann ist die Gesundheitsreform über die Bühne. Nur der Bundesrat muss am 16. Februar noch abstimmen. Auch hier gilt die Zustimmung als sicher.

Politisch ist die Reform ein Erfolg: Schließlich hat die große Koalition aus zwei diametralen Konzepten einen Kompromiss zusammengeklaubt. Fachlich gilt das Ergebnis als misslungen. „Kein Problem gelöst, aber neue geschaffen“, fasst der Chef des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen, Klaus Jacobs, zusammen.

Seit einem Jahr verhandeln Politiker von CDU und SPD über die Reform des Gesundheitswesens. Das dringendste Problem ist seit Jahren bekannt und wurde von unterschiedlichen Kommissionen, hießen sie nun „Rürup“ oder „Herzog“, übereinstimmend benannt: Die Einnahmen schrumpfen, weil immer weniger Menschen mit ihren Arbeitseinkommen die gesetzlichen Kassen stützen. Die Ausgaben aber steigen, weil die Gruppe der Älteren wächst und Behandlungen teurer werden. Geschieht nichts, könnten nach Berechnungen des Bayreuther Volkswirtschaftlers Volker Ulrich in 50 Jahren offene Summen von etwa 1,5 Billionen Euro im Raum stehen. Woher das zusätzliche Geld kommen soll, darauf haben Union und SPD unterschiedliche Antworten: Eine Bürgerversicherung, in die alle Bürger mit all ihren Einkommen einzahlen, schwebt den Sozialdemokraten vor. Die Christdemokraten wollen einen Einheitsbeitrag, Kopfpauschale genannt, plus gewaltige Steuerzuschüsse.

In den Frühjahrs- und Sommermonaten des letzten Jahres wird verhandelt, doch keines der beiden Konzepte überzeugt die andere Seite. Dann lässt Unionsfraktionschef Volker Kauder den Begriff Gesundheitsfonds fallen. Bald diskutieren alle Politiker diese Geldsammelstelle. Schließlich legt ihn Ministerin Ulla Schmidt den verhandlungsmüden Fachpolitikern als Kompromiss vor. Das Geniale daran ist, dass der Fonds je nach Gusto zur Bürgerversicherung oder Kopfpauschale umgebaut werden kann. Nun verlegen sich beide Seiten darauf, den Fonds als kleinsten gemeinsamen Nenner zurechtzustutzen.

Von der Superbehörde, die Beiträge festlegt, einsammelt und austeilt, schrumpft der Fonds darum schnell zur virtuellen Institution. Um ihn im Jahre 2009 zu installieren, werden genau drei zusätzliche Mitarbeiter gebraucht. Ansonsten behält jeder seine Aufgabe: Die Kassen ziehen Beiträge ein, das Bundesversicherungsamt verteilt sie so zwischen den Kassen, dass solche mit kränkeren Mitgliedern nicht benachteiligt sind. Neu ist, dass die Kassen ab 2009 einheitliche Beiträge erheben, der Staat will das Ganze mit bis zu 14 Milliarden Euro jährlich subventionieren.

Ansonsten bezahlen dieselben Menschen wie vorher das Gesundheitswesen, also vor allem die abhängig Beschäftigten. „Das Ziel Nachhaltigkeit wurde glatt verfehlt“, so der Ökonom Ulrich. Ungeklärt bleibt zudem, wo der Finanzminister die Steuerzuschüsse für das Gesundheitswesen einstreichen will und wie der Finanzausgleich zwischen den 250 Krankenkassen aussehen soll. Das Geld wird jedenfalls von Anfang an nicht reichen, prophezeit Gesundheitswissenschaftler Jakobs und warnt vor der Ein-Prozent-Falle. Kassen, die mit den Einheitsbeiträgen nicht auskommen, dürfen ab 2009 nämlich Zusatzbeiträge von maximal einem Prozent des Bruttoeinkommens erheben. „Kassen mit vielen einkommensschwachen Mitgliedern werden relativ schnell am Ende sein“, so der Wissenschaftler.

Im Sozialministerium in Brandenburg richtet sich Hartmut Reiners daher schon auf die nächste Reform ein. Als langjähriger Fachbeamter weiß er: „Gesundheitsreformen sind wie Olympische Spiele. Sie kommen alle vier Jahre.“

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