unterm strich
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Für die Kunst des Schimpfens wird man in der wirklichen Welt nur sehr selten belohnt; man muss sich damit schon auf eine Bühne stellen. Da sorgt der 1984 gegründete Kasseler Literaturpreis (10.000 Euro) für Anerkennung, der für grotesken Humor vergeben wird. Mit ihm wurde am Samstag der Kabarettist und Filmkünstler Gerhard Polt geehrt. Die Jury begründete die Entscheidung damit, dass es dem 64-Jährigen gelinge, Geschichtsschreibung zur Satire und Systemkritik zur Groteske werden zu lassen. Laudator Andreas Platthaus (Frankfurter Allgemeine Zeitung) würdigte Polts „pure Konsonantenakrobatik“. Mit seiner Sprache, „die man großzügig als Deutsch bezeichnen“ könne, „bringt er uns so viel Bayern nahe, wie der Rest der Welt eigentlich gar nicht vertragen kann“.

Für sehr viel Grund zum Schimpfen sorgt im Bundesland Thüringen seit Mitte letzten Jahres die Entscheidung des Kulturministers Jens Goebel, den Landeskulturetat ab 2009 von jetzt 60 Millionen auf 50 Millionen Euro abzusenken. Immer mehr Unterschriftenlisten kreisen, um sich dagegen zu wehren, und viele Unternehmen klagen, dass sich die Region mit dem weiteren Abbau von Orchestern und Theatern die letzten Qualitäten verscherze. Den Protest hat jetzt die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, die auch kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag ist, aufgegriffen. In Thüringen sei „eine richtige Bürgerbewegung gegen Kulturabbau entstanden. Damit hat die Landesregierung überhaupt nicht gerechnet“, sagte die Politikerin. „Das hängt mit Identität zusammen, mit der Frage, ob man sich mit einer Region verbunden fühlt oder nicht“, betonte Göring-Eckardt und warnte Politiker in Ländern und Kommunen vor Doppelzüngigkeit. „Man kann nicht am Montag beklagen, dass die Leute wegziehen, und am Dienstag die Standortfaktoren schließen.“

Nicht auf das Schimpfen, sondern auf das Küssen hat sich eine Gruppe von Schauspielern und Literaturstudenten in Berlin verlegt. Unter dem gruselig streberhaften Motto „Kunst und Kultur statt Kitsch und Konsum“ wollen sie am Valentinstag kussreiche Literatur in einer Lesung unters Volk bringen.