Oaxaca bleibt weiter unruhig

Mexikos Zentralregierung setzt den umstrittenen Gouverneur des Bundesstaates unter Druck. Die Aufständischen wollen sich als politische Organisation konstituieren

MEXIKO-STADT taz ■ Ulises Ruiz soll beweisen, dass er Oaxaca regieren kann, oder soll sein Amt abgeben. Mit dieser Forderung machte Mexikos Bundesinnenministerium am Wochenende Druck gegen den umstrittenen Gouverneur des südmexikanischen Bundesstaates. Zudem werde die Bundesregierung in absehbarer Zeit die Polizeikräfte aus der gleichnamigen Landeshauptstadt wieder abziehen. Zugleich ist sie dabei, einen Wirtschaftsplan auszuarbeiten, mit dem die soziale Situation in dem verarmten Bundesstaat verbessert werden soll.

Die Aufständischen, die über Monate hinweg Oaxaca-Stadt kontrollierten, trafen sich indes dort zu einem konstituierenden Kongress. Rund 900 Vertreter linker, gewerkschaftlicher und indigener Gruppen diskutierten darüber, wie man die bislang als Bewegung organisierte „Versammlung der Bevölkerung Oaxacas“ (Appo) in eine politische Organisation überführen kann. Begleitet wurde das Treffen von zahlreichen Solidaritätsaktionen im In- und Ausland. In Mexiko-Stadt demonstrierten 8.000 Menschen zur Unterstützung der Appo-Aktivisten, und auch der Präsident der gemäßigt linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD), Leonel Cota, kündigte Straßenblockaden zur Unterstützung der Appo an. Die Forderung: Weg mit Ulises Ruiz.

Für die Absetzung des Politikers der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) kämpfen Lehrer und in der Appo organisierte Aktivisten schon seit Juni. Damals war Ruiz mit einem brutalen Polizeieinsatz gegen streikende Lehrkräfte vorgegangen. Linke und indigene Gruppen solidarisierten sich, gemeinsam übernahmen die Protestierenden die Kontrolle der Stadt.

Ende Oktober schickte die Bundesregierung die Bundespolizei. Rund 3.500 Beamte stürmten Oaxaca, die Aufständischen zogen sich in die autonome Universität zurück. Kurz darauf griffen die Polizeieinheiten die Appo-Aktivisten mit Hubschraubern und Tränengas auf dem Hochschulgelände an, wurden aber nach einer siebenstündigen Schlacht zurückgedrängt. Es sei ein „historischer Tag“ gewesen, erklärte Appo-Sprecher Flavio Sosa. Mit den drei Bombenanschlägen, die in der letzten Woche in Mexiko-Stadt durchgeführt wurden, habe man jedoch nichts zu tun, stellte Sosa klar. Einige kleine Guerillagruppen hatten sich zu den Aktionen bekannt und auf den Aufstand in Oaxaca verwiesen. Wer versuche, die Anschläge mit der Appo in Verbindung zu bringen, delegitimiere den Kampf für die sozialen Interessen der Bevölkerung Oaxacas, erklärte Sosa.

Auch die andere Seite blieb nicht untätig: Mehrere tausend Menschen demonstrierten vergangene Woche in Oaxaca-Stadt für Ruiz. Sie kritisierten, dass weiterhin viele Kinder von dem Lehrerstreik betroffen seien. Die Pädagogen hatten sich nach Zusagen über höhere Löhne und bessere Lehrbedingungen bereit erklärt, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Ein Teil der ursprünglich 70.000 streikenden Lehrkräfte ist aber noch nicht in die Klassenzimmer zurückgekehrt.

Menschenrechtler erheben indes schwere Vorwürfe gegen die Polizei und der PRI nahestehende Gruppen. Siebzehn Personen seien seit Juni gestorben, die meisten von ihnen Appo-Aktivisten, die von paramilitärischen PRI-Gruppen ermordet worden seien, erklärten Menschenrechtsorganisationen. Sie sprechen von etwa 60 verhafteten Menschen, deren Verbleib unbekannt sei. Amnesty international forderte Aufklärung über Foltervorwürfe. So hatte der Journalist Daniel Mota Figuera erklärt, er sei von vermummten Beamten in einem Polizeilager brutal misshandelt worden.

Angesichts der chaotischen Zustände stellte Bundesinnenminister Carlos Abascal Gouverneur Ruiz ein Ultimatum. Doch der will davon jedoch nichts wissen. Er will nun ein „Programm zur Versöhnung“ vorstellen, mit dem er die Lage wieder in den Griff bekommen will.

WOLF-DIETER VOGEL