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Capellos Baustelle

Real Madrid versäumt beim Champions-League-Spiel gegen Bayern München eine Vorentscheidung. Bayerns van Bommel erzielt kurz vor Abpfiff das 2:3 und wahrt damit die Chancen für das Rückspiel

„Wie ein Tennisspieler, dem der Arm vor dem Match Point zittert“

AUS MADRID REINER WANDLER

Ein Fußballspiel dauert lang, verdammt lang. Das bestätigte sich beim Hinspiel des Achtelfinales der Champions League Real Madrid gegen Bayern München. Die Weißen aus Spaniens Hauptstadt mussten erleben, wie zäh die Zeit selbst dann werden kann, wenn man mit einer 3:1 Führung in die Halbzeitpause geht.

„In der ersten Hälfte haben sie gespielt wie in alten Zeiten“, lobte die spanische Sportzeitung AS. Aber eben nur in der ersten Hälfte. Was dann kam, war Real-Fußball, wie ihn die Fans in dieser Saison allzu oft erdulden müssen. Ideenlos, unkoordiniert, ängstlich. Nicht nur Real Madrid, Vierter in der Primera Division, sondern auch die Bayern brauchten den Sieg. Für beide Vereine ist die Champions League die letzte Chance, doch noch etwas aus der Saison zu machen. Die Bayern drehten auf und drängten die Madrilenen zurück. Trainer Fabio Capello fuchtelte immer wilder, schrie allerlei Anweisungen. Bis es den italienischen Coach und mit ihm über 60.000 Fans regelrecht auf den Hosenboden setzte. Van Bommel hatte das 2:3 versenkt und „hält die Bayern für die Rückrunde in München am Leben“, wie Trainer Ottmar Hitzfeld analysiert.

„Wie ein Tennisspieler, dem der Arm vor dem Match Point zittert“, erklärte Capello, warum sein Team nicht in der Lage waren, mit einem weiteren Treffer ein endgültiges Urteil zu fällen. Symptomatisch für eine ganze Saison. Capellos Madrid läuft mit konstant vier bis fünf Punkten Erzfeind FC Barcelona sowie dem FC Sevilla und dem FC Valencia hinterher. Und nicht nur bei den Großen – die Weißen versagen, wie auf Bestellung, auch vor kleinen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel.

Capello, der fünfte Coach in nur vier Jahren, will es nicht gelingen, die Königlichen in den Griff zu bekommen. Er übernahm ein „galaktisches Team“ in ruinösem Zustand. Mit der Mentalität einer Abrissbirne ging der Italiener an die Arbeit und schliff auch Madrider Denkmälern. Ronaldo musste immer öfter auf die Bank, bis er entnervt nach Mailand zog. Auch Beckham geht; er hat einen millionenschweren Vertrag für die USA in der Tasche. Zu schmerzhaft war es für ihn, unter Capello lange Zeit nur Auswechselspieler zu sein.

Niemand bestreitet ernsthaft, dass die Zeit der Galaktischen abgelaufen ist. Eine neue Mannschaft muss aufgebaut werden. Und genau daran scheitert Capello, der Ende der 90er-Jahre bereits einmal Trainer in Madrid war. Auf seinen Wunsch wurden junge Spieler in Übersee gekauft, die bisher nur wenig gezeigt haben. „Ich habe mir noch nie sagen lassen, was ich zu tun habe“, entgegnet Capello seinen Kritikern mit der ihm eigenen Arroganz. So ganz scheint dies nicht zu stimmen. Am Abend vor dem Achtelfinale wurde Capello vor die Vereinsführung zitiert. Und siehe da, die Aufstellung gegen Bayern glich mehr dem altbewährten Real Madrid als der Baustelle Capellos. Es war ausgerechnet der vom italienischen Coach gemiedene Beckham, der an allen wichtigen Spielzügen beteiligt war. „Es fehlt nur, dass Capello ein Flugzeug nach Italien schickt und Ronaldo zurückholt“, kommentiert die Sportzeitung AS zynisch.

Zumindest bis nach der Rückrunde in München dürfte Capellos Trainerposten sicher sein. Doch das macht seine Aufgabe nicht leichter. Denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Darüber kann auch der 3:2-Sieg nicht hinwegtäuschen. Die Aufstellung, die gegen Bayern München siegte, hatte nur die Kraft für eine Halbzeit, und junge Spieler wie Robinho, die eingewechselt wurden, liefen im Achtelfinale einmal mehr orientierungslos auf und ab.

Es wird schwer in München, da macht sich keiner was vor. Torwart Casillas versucht dem bitteren Sieg etwas Positives abzugewinnen: „Mit einem 3:1 wären wir entspannt an die Sache herangegangen. Und wenn wir entspannt in die Rückrunde gehen, läuft es immer schlecht. Jetzt werden wir angespannt sein und uns voll aufs Spiel konzentrieren.“

Doch bis es so weit ist, haben die Weißen und ihr Trainer Capello eine weitere wichtige Hürde vor sich. Am kommenden Wochenende wartet Atlético Madrid. Eine schlechte Leistung beim Derby könnte die Debatte um Capello erneut anfachen, noch bevor er in den Flieger nach München steigt.

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