: Logische und beabsichtigte Folgen
betr.: „Grüne üben Selbstkritik in Sachen Hartz IV“
Es ist zu begrüßen, dass die Grünen zwei Jahre nach Einführung von Hartz IV und vier Jahre nach Vorlage der Entwürfe für die Hartz-Reformen durch Dr. Peter Hartz erkannt haben, dass sie sich geirrt haben. Positiv ist auch, dass sie dies öffentlich zugeben. Sie haben sich somit in die Lage versetzt, wieder politischen Anschluss an die allgemeine öffentliche Meinung zu finden, die sie ja prägen wollen.
Nicht erlauben sollte man ihnen allerdings, ihr Outing gleich wieder mit einer Lüge zu beginnen. Ihre jetzige Argumentation, erst die Bilanz der Umsetzung der Reform hätte die Mängel gezeigt, die es nun „nachzubessern“ gelte, ist falsch. Bereits bei Vorlage des Grundkonzeptes von Peter Hartz im Sommer 2002 war klar: Hartz ist ein Scharlatan. Die Reform wird die Arbeitslosigkeit nicht halbieren. Ziel der Reform ist die Reduktion der Ausgaben für Erwerbslose und die Ausweitung des Niedriglohnsektors.
Alle heute beklagten Mängel der Reform sind logische und beabsichtigte Folgen des sozialpolitischen Paradigmenwechsels: verschärfte Repression gegen Langzeitarbeitslose bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit, Fordern statt Fördern, Entzug der Leistungen für hunderttausende ehemalige ArbeitslosenhilfeempfängerInnen, Reduzierung des Einkommens von Bedarfsgemeinschaften durch Anrechnung von Partnereinkommen, etc.
Die Hartz-Reformen insgesamt sind ein Gesetzespaket, das die Not und den Druck auf Erwerbslose erhöht, damit die noch Beschäftigten gefügiger werden und die Löhne fallen. Dies war bereits Mitte 2002 als veröffentlichte Kritik bekannt. Aus parteipolitischen Erwägungen fand die Kritik wenig Beachtung, da die Wahlen vor der Tür standen und die Regierungsbeteiligung nicht gefährdet werden sollte. Und so ging es dann weiter all die Jahre.
Nachdem sie den Sündenfall aktiv mit herbeigeführt haben, muten sie heute ihrer Klientel zu, ein zweites Mal verarscht zu werden und erhalten dafür ausführlichst Gelegenheit in der Presse. Sie wollen sich ernsthaft an die Spitze der Bewegung stellen, die Hartz IV kritisiert. Wer aber heute immer noch seine Hartz-Kritik mit den Worten einleitet, „Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war ein erster Schritt in Richtung einer sozialen Grundsicherung“, sollte vielleicht sein Metier wechseln oder sich auf sein nächstes Waterloo vorbereiten. GABY GOTTWALD, Berlin
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen