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Der Vater

… führt seine Tochter zum Traualtar. Auch im 21. Jahrhundert bestehen viele Bräute, die sich ihren Ehemann meist ganz ohne väterliches Zutun gesucht haben, immer noch auf dieser Tradition. Urkatholisch sei das, erklären sie. Tatsächlich haben sie einfach nur zu viele Hollywood-Komödien gesehen, in denen nach anglikanischem Brauch getraut wird. „Wer gibt diese Frau zur Heirat frei?“, fragt dort der Priester, und der Vater übergibt das Gut an den Bräutigam. Nach katholischer Tradition zieht das Brautpaar allerdings gemeinsam mit dem Pfarrer ein. Nur scheint das nach Auffassung vieler diesem Moment die Dramatik zu nehmen. Ebenso wenig fragt der Pfarrer in der katholischen Zeremonie, ob jemand Einwände gegen die Trauung des Paares habe und dass dieser jetzt sprechen oder „für immer schweigen“ solle.

Die kirchliche Trauung wird mehr und mehr zu einem bloßen Ritual im Rahmen eines Hochzeitsfests. Viele protestantische Pfarrer gehen auf die Bedürfnisse des Brautpaares ein und reden in der Predigt nicht mehr von Gott und Glauben und davon, was die Kirche überhaupt mit der Liebe zweier Menschen zu tun habe. Stattdessen zitieren sie Janosch, Saint-Exupéry, Nietzsche oder Doris Day, erzählen keine biblischen Gleichnisse, sondern lieber lebensnahe Anekdoten oder Märchen, die dann dem Paar Sinnbild für ihr gemeinsames Leben sein sollen. Mit Gott, so scheint es, schreckt man die Menschen nur ab.

Auch die katholische Kirche ist längst nicht mehr so kleinlich, wie sie oft dargestellt wird. Die Ehe bleibt ein Sakrament, aber die Feier der kirchlichen Trauung ist nicht mehr so starr. Sollte das Brautpaar zu kirchenfern sein, so gibt es statt einer Eucharistiefeier einen Wortgottesdienst, in dem man die Kommunion weglässt. Ein Katholik kann heute auch jemanden heiraten, der nicht getauft ist, sogar jemanden, der nicht an Gott glaubt. In diesem Falle werden die Texte leicht abgeändert. So verspricht ein Nichtgläubiger zwar weiterhin, dass er die Kinder annehmen werde, die ihnen Gott schenkt, aber er muss nicht versprechen, sie auch im katholischen Glauben aufzuziehen. „Mütterlich liebevoll“ bzw. „väterlich liebevoll“ reicht auch. JUL

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