Der „Copy & Paste“-Action-Film

HIPPEN BERICHTET Auf der Berlinale sorgte der in Berlin gedrehte „Unknown Identity“ von Jaume Collet-Serra für viel Heiterkeit, weil in ihm das Hotel Adlon gesprengt wird

Dass Polanskis „Frantic“ auch schon eine Kopie von Hitchcock-Klassikern wie „Der unsichtbare Dritte“ war, macht dieses Plagiat auch nicht besser

VON WILFRIED HIPPEN

Nachdem eine deutsche Krankenschwester „Gretchen Erfurt“ genannt wird, fällt es schwer, einen Film auch nur halbwegs ernst zu nehmen. Bei der Vorführung von „Unknown Identity“ auf der Berlinale, wo er im Hauptprogramm, aber außer Konkurrenz lief, gab es beim zum großen Teil einheimischen Publikum noch einige von diesen Lachern, über die sich der Regisseur Jaume Collet-Serra wohl eher gewundert haben dürfte.

So waren die absurden Fahrtrouten durch Berlin für Ortskundige fantastischer als alle Plot-Wendungen, und eine rasante Verfolgungsjagd durch die Friedrichstraße mit viel Blechschaden erfreut das Herz vieler Berliner. Schließlich explodiert auch noch eine ganze Etage des Hotels Adlon – in Kreuzberg könnte der Film alleine schon deshalb zum Kult werden.

So etwas sind Kinogänger in Los Angeles, New York, London und Paris natürlich längst gewohnt. Deshalb war es ein kluger Schachzug des Blockbuster-Produzenten Joel Silver, die Vernichtung über das noch vergleichsweise jungfräuliche Berlin hereinbrechen zu lassen. Die Romanvorlage von Didier Van Cauwelaert spielte zwar in Paris, aber bei diesem Drehort wären die Parallelen zu dem Thriller „Frantic“ von Roman Polanski wohl zu offensichtlich gewesen.

Auch hier kommt der Held zusammen mit seiner Frau gerade in der Metropole an, checkt in ein Hotel ein, vermisst zuerst ein Gepäckstück und dann seine Gattin, gerät in eine für ihn undurchschaubare Agentengeschichte, wird von einer jungen, attraktiven Kleinkriminellen in die Geheimnisse der Stadt eingeführt usw. usf. Dass „Frantic“ ja auch schon eine Kopie von Hitchcock-Klassikern wie „Der unsichtbare Dritte“ war, macht das Plagiat auch nicht besser.

Nun gehört es zur Definition des Genrekinos, dass in ihm die gleichen Grundsituationen in immer neuen Variationen durchgespielt werden. Dies kann man elegant oder plump machen – und das Problem bei „Unknown Identity“ besteht darin, dass die einzelnen Elemente scheinbar willkürlich aneinandergereiht wurden. So verrät man schon fast die Pointe mit dem Hinweis, dass im letzten Drittel eifrig bei der „Bourne-Trilogie“ abgekupfert wurde. Allerdings waren die Wendungen des Plots schon vorher so sehr der reinen Mechanik des Actionkinos geschuldet, dass man kaum noch Interesse am Schicksal des Protagonisten aufbringen konnte.

So scheint zum Beispiel ein Unfall, der unmöglich geplant sein konnte, Teil einer riesigen Intrige zu sein. Von diesem Bruch der Plausibilität erholt sich der Film nie wieder. Am Ende gibt es dann zwar eine halbwegs logische Erklärung dafür, diese ist aber so verdreht, dass sie den Eindruck eines „Copy and Paste“-Drehbuchs nur noch verstärkt.

Die Hauptrolle spielt Liam Neeson in seiner üblichen geradlinigen Männlichkeit, und January Jones aus der Fernsehserie „Mad Men“ ist als seine Ehefrau gebührend schön, kühl und geheimnisvoll. Bruno Ganz hat einen schönen, selbstironischen Auftritt als Stasi-Agent auf Rente, und Diane Krüger spielt die illegale Einwanderin aus Bosnien, die dem Helden tapfer zur Seite steht mit solch großen, traurigen Augen, dass sich Berliner Kritiker glattweg zu der Aussage verstiegen, dies sei ein Anti-Sarrazin-Film. Wie gesagt, Berliner sehen diesen Film mit anderen Augen.