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Morgendliche Anrufe

Die Stimme

Um halb sieben in der Früh riss mich das schrille Klingeln des Telefons aus dem Schlaf. Mein Vorsatz, es zu ignorieren, wurde durch die Beharrlichkeit des Anrufers zunichtegemacht. Erst der anspringende AB stoppte den Terror. Kurz bevor ich wieder sanft entschlummern konnte, wiederholte sich die Prozedur. Schicksalsergeben erhob ich mich und taumelte aus dem Bett. Als ich den Hörer an mein Ohr hielt, ertönte eine knarzige Computerstimme. Ich legte auf.

Innerhalb der nächsten zwei Stunden erfolgten zwölf weitere Anrufe. Mittlerweile kannte ich den Text, bei dem es sich um eine SMS aufs Festnetz handelte, auswendig: „Mach dir keinen Kopf und schon gar kein Gewissen. Ich freu mich auf dich.“ Was hatte das alles zu bedeuten? Worüber sollte ich mir kein Gewissen machen? Und: War das überhaupt ein syntaktisch korrekter Satz? Ich versuchte, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, und rief bei E-Plus an, aus deren Netz die SMS versandt worden war. Am anderen Ende meldete sich eine weitere, mir bis dato unbekannte Computerstimme, die mir verschiedene Angebote unterbreitete, von denen allerdings keines auch nur annähernd meinem Anliegen entsprach.

Seltsamerweise zeigte der Anruf dennoch Wirkung. Erst um halb zwölf klingelte das Telefon erneut. Es war mein Freund M.: „Sag mal, kann es sein, dass ich dir vorhin eine SMS geschickt habe?“ M. also war der Übeltäter! „Dreizehn“, entgegnete ich. Es stellte sich heraus, dass die Nachricht – in einfacher Ausfertigung – für seine neue Flamme bestimmt gewesen war. Im Gegensatz zu mir war M. ziemlich froh darüber, sie versehentlich an mich geschickt zu haben. Auch unbeabsichtigte Zuneigung kann bisweilen ganz schön erdrückend sein. ANDREAS RESCH

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