Uni zieht in den Wahlkampf

Angesichts der „schwersten Krise seit 1971“ beschließen über tausend Uni-Angehörige, keine Etat-Kürzungen hinzunehmen – und massive Proteste im Wahlkampf. Rektor dankt Blockierern

von Christian Jakob

Weit über 1.000 Studierende, MitarbeiterInnen und ProfessorInnen versammelten sich gestern Nachmittag in der Uni-Mensa. „Mit überwältigender Mehrheit“ verabschiedeten sie eine Resolution, die das Land zur Rücknahme der einschneidenden Kürzungspläne aufforderte. „Der eingeschlagene Weg führt zu einer Universitätsruine.“

Vorausgegangen war eine zweieinhalbstündige Diskussion über die Ausrichtung der Universität. Für die Wirtschaft attraktive Forschung oder Bildung, die sich nicht um Verwertungsfähigkeit schert? Am Ende überwog der Wille, mit einer gemeinsamen Position den anstehenden Bürgerschaftswahlkampf für Proteste gegen die Bremer Wissenschaftspolitik zu nutzen. Die Studierendenvertreter konnten sich zudem eine Ergänzung der Resolution durchsetzen, die Studiengebühren und Drittmittel als „keine geeigneten Mittel zur Lösung der Probleme der Universität“ bezeichnet.

Uni-Rektor Wilfried Müller sagte, er müsse sich „bei den Studierenden bedanken“, die mit einer Blockade die Sitzung des Akademischen Senats (AS) vor zwei Wochen verhindert und damit die aktuelle Protestwelle angestoßen hatten. Auf der Sitzung sollte unter anderem die Schließung des Studiengangs Sport beschlossen werden. Während der Blockade vereinbarten AStA und Rektorat die Vollversammlung.

Noch Anfang Januar hatte Müller hatte die Umsetzung der HEP-V-Kürzungen durch eine AS-Kommission als „eigenverantwortliche Gestaltung“ verteidigt. Gestern nannte er die Kürzungen ein „klassisches Eigentor“ der Bremer Politik. Unis und Fachhochschulen seien der „einzige Garant für die Zukunftssicherung des Landes“. Er werde alle HochschullehrerInnen auffordern, zugunsten von Protestaktionen im Sommersemester auf Anwesenheitslisten zu verzichten. Aus dem gleichen Grunde werde er sich bemühen, eine Aufhebung des bestehenden Plakatierverbotes auf dem Uni-Gelände zu erwirken.

Erst kürzlich war der Universität ein Entwurf des „Wissenschaftsplans 2010“ zugegangen, in dem die Landesregierung von der Universität trotz der Kürzungen eine Erhöhung der Studierendenzahlen und eine Verbesserung von Forschung und Lehre verlangt. Der Akademische Senat hatte es daraufhin abgelehnt, sich „konzeptionell weiter mit der Umsetzung der Kürzungen zu befassen“ (taz berichtete). Thomas Krämer-Badoni, Professor für Soziologie, sagte, die Dekane der Universität seien sich „ziemlich einig“: Das Land müsse ein Angebot vorlegen, „über das sich zu verhandeln lohnt“. Die momentanen Kürzungsvorgaben seien „nicht umsetzbar“. Das Land müsse sich entscheiden, „ob es eine Universität wolle“.

Michael Markus vom AStA kritisierte die Landesregierung für die geplante Beteiligung am Rüstungskonzern EADS. Es sei „gesellschaftlich sinnvoller, Menschen darin zu unterrichten, sich um Behinderte zu kümmern, als Waffen zu bauen und zu verkaufen“, so der Studierendenvertreter mit Blick auf die drohende Schließung der Behindertenpädagogik. Ein Protest, der nur auf die eigene Bedeutung für den Standort Bremen verweise, gehe in die falsche Richtung. Eine Universität sei der Produktion von Erkenntnissen verpflichtet, die einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen dienten. Allein dieser Umstand rechtfertige es, dort öffentliche Gelder zu investieren – und kein ökonomischer Standortwettbewerb.