Perspektive: Fernstudium

Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) rechnet private Fernhochschulen in die Bilanz der Hamburger Studienanfängerplätze mit ein. Das kaschiert den realen Studienplatz-Abbau

Von Kaija Kutter

Jahrelang war in Hamburg nur von Studienplatzabbau die Rede. Gemäß einer Senatsentscheidung soll bis 2009 die Zahl der Anfängerplätze von einst 11.350 auf 9.600 geschrumpft werden. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der GAL-Politikerin Heike Opitz zeichnet Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) überraschend ein ganz anderes Bild. „Die Zahl der Studienanfängerplätze an den Hamburger Hochschulen stieg von 2001 bis 2006 von 12.383 auf 14.549“, schreibt seine Behörde und verweist darauf, dass in diesen Jahren „im Schnitt 140 Prozent Studienanfängerplätze über den ‚Landesbedarf‘ hinaus bereit gestellt wurden.“

Das Platzwunder ist auf eine andere Betrachtungsweise zurückzuführen. Neben den sechs staatlichen Hochschulen zählt Dräger jetzt auch noch „interne staatliche sowie private Hochschulen“ hinzu. Deren Studienplatzzahl stieg von 2001 bis 2006 tatsächlich von 1.474 auf zuletzt 4.184 sprunghaft an.

Opitz war es in ihrer Anfrage um besagten „Landesbedarf“ der Hamburger Schulabgänger gegangen. Dieser wird steigen, wenn im Jahr 2010 der doppelte Abiturjahrgang fertig wird. Mit 11.160 Schülern statt üblicherweise rund 6.500 rechnet der Senat. Für sie sollen, so die Planung, bis 2011 in Etappen 1.000 zusätzliche Plätze aufgebaut werden, davon 450 an Universität Hamburg und 400 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Die, die keinen Platz bekommen, könnten ja in die Neuen Ländern ausweichen, argumentiert der Senat. Von dem Pionierjahrgang, der ohnehin schon unter schwierigen Bedingungen lernt, wird anschließend erhöhte Mobilität verlangt.

Um zu beurteilen, ob der Senat hier angemessen reagiert, wollte Opitz wissen, wie viele Schüler eines Abi-Jahrgangs denn bisher in Hamburg einen Platz bekamen und wie sich diese Quote in Zukunft gestaltet. Immerhin „60 bis 70 Prozent“ eines Jahrgangs, so die Antwort des Senates, kamen bisher in Hamburg unter. Es müsste also, wenn es gerecht zuginge, für mindestens 8.000 der 11.160 Abiturienten in Hamburg ein Angebot geben. Eine richtige „Landeskinderquote“ darf der Senat nicht einführen. Er könnte aber einen Pfuffer schaffen, um zu verhindern, dass diese Schüler im Wettbewerb von Bewerbern aus den Nachbarländern wie Niedersachsen verdrängt werden, das 2011 ebenfalls einen doppelten Abi-Jahrgang entlässt.

Doch der Senat zieht sich mit Verweis auf besagte 140-Prozent-Überversorgung aus der Affäre und sicherte im bundesweiten Hochschulpakt allenfalls zu, „das Niveau der Studienanfängerzahlen des Jahres 2005 zu halten“. Dabei erweisen sich diese 140 Prozent bei genauer Betrachtung als Luftnummer. Etwa 790 der erwähnten 4.184 Plätze stellt die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, die fast keine zivilen Studierenden nimmt. Zieht man weitere rund 200 Plätze für Polizei- und Finanzhochschule ab, bleiben rund 400 Plätze, die die vier Hamburger Privatunis Brucerius-Law-School, die Hamburg School of Business Administration, die Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie und die Akademie für Mode & Design stellen. An all diesen Hochschulen mit Ausnahme der evangelischen kostet das Studium pro Monat mehrere hundert Euro.

Den Löwenanteil des Anstiegs mit fast 2.800 Plätzen machen jedoch zwei Fernhochschulen aus, die sich in der Hansestadt niederließen. So wird die „Hamburger Fernhochschule“ von Drägers Behörde mit 1.334 Anfängerplätzen mit eingerechnet. Deren Geschäftsführer Uwe Ploch sagt, dass von ihnen nur rund 240 in Studienzentren in Hamburg betreut werden und ihre Vorlesungen haben. Der Rest werde im übrigen Bundesgebiet betreut. Ploch: „Da wir hochschulrechtlich den Sitz in Hamburg haben, müssen wir hier alle Anfänger melden.“ Mit nochmal 1.457 Plätzen wird die „Europäische Fernhochschule Hamburg“ eingerechnet, die nur per Telefon und Internet kommuniziert und, so ein Sprecher, „theoretisch unbegrenzt Teilnehmer ausnehmen kann“. Zu einer Unterversorgung des doppelten Abi-Jahrgangs kann es also gar nicht kommen.